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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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Geschäft durch die Lappen gegangen ist. Die beiden haben gelacht, Dad hat ihm ein paar Hummer geholt, und dann ist der Typ wieder gegangen. Sag mal, hast du was zu essen da?«
    Als wir beide vor dem offenen Kühlschrank standen, schwang plötzlich mit lautem Quietschen die Fliegengittertür auf. Ich zuckte vor Schreck zusammen. »Jesses!«
    »Sofern Jesus nicht in dem Kühlschrank ist, solltest du dich bei ihm entschuldigen«, sagte Grand.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Das sollte es auch. Schließlich ist er für deine Sünden gestorben.« Ihr Blick fiel auf Dottie. »Ich nehme mal an, ich habe dich hier nicht gesehen, Dorothea?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Dottie und verschwand wie ein geölter Blitz.
    »Du musst mal mit rüberkommen«, sagte Grand. »Ich bin dabei, Brot für das Bohnenessen morgen Abend zu backen, und da brauche ich deine Hilfe.« Damit marschierte sie aus dem Haus, und ihr breiter Hintern schwang von Seite zu Seite, während ich hinter ihr hertrottete.
    Ich nannte sie Grand, weil sie wirklich groß war, in jeder Hinsicht. Sie maß einen Meter fünfundsiebzig und hatte das, was die Leute »kräftige Knochen« nennen. Sie hatte mich auf ihren breiten Hüften herumgetragen, bis sie sicher war, dass ich laufen konnte, ohne mich umzubringen.
    Ihr Haus war das älteste von The Point. Es stand einzeln auf einem Felsvorsprung schräg gegenüber unserer Einfahrt. Daddy hielt das Meer und das Wetter im Zaum, indem er das Haus fast jedes Jahr neu anstrich, die Wände weiß und die Fensterläden grün. Neben dem Haus war ein Garten mit Blumen, Obst und Gemüse. Zum Wasser hin neigte sich eine zwanzig Meter breite Rasenfläche bis zum Felsrand, und darunter ging es sechs oder sieben Meter steil hinunter zum Ufer. An der Seeseite war eine verglaste Veranda, von der aus man beobachten konnte, welche Boote rausfuhren und wieder reinkamen. Die große Küche ging nach Süden raus, und durch die beiden Fenster sah man zu unserem Haus hinüber. Im oberen Stock waren zwei Schlafzimmer und das Bad, und von der Diele kam man in ein gemütliches Wohnzimmer.
    Am Ende der Diele stand eine Vitrine aus Mahagoni, in der Grand ihre Geschirrsammlung aus rubinrotem Glas aufbewahrte: eine Karaffe, Gläser, Tassen und Untertassen, kleine Schälchen für Gebäck oder Mixed Pickles und noch alles Mögliche andere. Viermal im Jahr nahmen Grand und ich jedes einzelne Teil heraus, wuschen es vorsichtig, trockneten es ab und stellten es zurück in die sorgfältig gewachste und polierte Vitrine. Mein Lieblingsstück war ein kleines rotes Glasherz, das genau in der Mitte lag. Mein Großvater Franklin hatte es Grand zur Hochzeit geschenkt. Grand hing sehr an diesem Herz. Als Daddy zehn Jahre alt gewesen war, hatte Franklin bei einem Abendessen mit Freunden einen Herzinfarkt gehabt und war tot umgefallen.
    An Sommertagen saßen wir oft in den Schaukelstühlen auf der Veranda, ich trank eine Brause und las eine Geschichte aus einem der Hardy-Boys-Bücher meines Vaters. Die Bücher waren so alt, dass die Würmer sich an einigen Stellen quer hindurchgefressen hatten. Wenn ich die Bücher schräg hielt und schüttelte, rieselten vertrocknete Wurmreste heraus.
    Doch an diesem Tag war keine Zeit zum Lesen. Grand musste Brot backen, und sie schien fest entschlossen zu sein, es mir ebenfalls beizubringen. Ich wickelte mir die Bänder einer Blümchenschürze zweimal um den Bauch und schnürte sie zu, dann stellte ich mich an den alten hölzernen Küchentisch, der so groß war, dass zehn Leute daran sitzen konnten. Der starke Hefegeruch, der aus der riesigen senfgelben Brotschüssel drang, ließ mich zurückweichen.
    »Was soll ich tun?«, fragte ich und versuchte, nicht zu atmen.
    »Der Teig ist schon zweimal gegangen«, sagte sie. »Drück die Luft raus, streu etwas Mehl auf den Tisch und knete ihn kräftig durch. Dann klopf ihn flach, roll ihn wieder zusammen und knete ihn zu einem Laib. Leg ihn in eine von den Formen und stell das Ganze auf die Fensterbank.«
    Bei der Vorstellung, diesen aufgeblähten, fettigen Teigkloß anfassen zu müssen, drehte sich mir der Magen um, aber ich tat, was sie mir gesagt hatte, und pikste mit dem Finger in die bleiche Kugel. Die Hefegase zischten heraus wie ein leiser Furz.
    »Heiliger Strohsack«, sagte Grand. »Das ist bloß Teig, Florine. Stell dich nicht so an. Du musst kräftig zupacken. Pass auf, ich zeig’s dir.«
    Sie stieß ihre kräftige Faust in den Teig, drückte und zog, schlug und
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