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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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erhalten, aber für die Kosten des Privilegiums allein aufkommen sollte. Dieser Herr Quillau hatte es so einzurichten verstanden, daß mir das Privilegium keine Ausgaben verursachte, ich aber von dieser Ausgabe auch nie einen Heller bekam, die wahrscheinlich einen unbedeutenden Absatz hatte, obgleich mir der Abbé Desfontaines versprochen, für sie Reklame zu machen, und auch die andern Journalisten sich ziemlich vortheilhaft über sie ausgesprochen hatten.
    Das größte Hindernis, einen ernstlichen Versuch mit meinem Systeme zu machen, war die Furcht, daß man, sobald es nicht eingeführt würde, die zu seiner Erlernung nöthige Zeit verlöre. Ich wandte dagegen ein, daß, wollte man die Musik nach der gewöhnlichen Notenschrift erlernen, man noch immer Zeit gewinnen würde, wenn man sich erst mit der meinigen vertraut machte. Um hierfür einen thatsächlichen Beweis zu liefern, unterrichtete ich eine junge Amerikanerin, ein Fräulein Des Roulins, deren Bekanntschaft mir Herr Roguin verschafft hatte, unentgeltlich in der Musik. In drei Monaten war sie im Stande, jedwede Musik nach meinen Noten zu lesen und selbst vom Blatte zu singen, ja sogar besser als ich selbst, wenn sie von allzu großen Schwierigkeiten frei war. So schlagend dieser Erfolg auch war, blieb er doch unbekannt. Ein anderer hätte die Zeitungen damit erfüllt; aber mit dem geringen Talente, nützliche Erfindungen zu machen, verband ich nicht das noch größere, sie auch zur Geltung zu bringen.
    So war denn mein Heronsball wiederum zertrümmert; allein dieses zweite Mal zählte ich dreißig Jahre und fand mich auf dem Pariser Pflaster, auf dem man nicht umsonst lebt. Der Entschluß, den ich in dieser Bedrängnis faßte, wird nur die in Erstaunen versetzen, welche den ersten Theil dieser Lebenserinnerungen nicht aufmerksam gelesen haben. Ich hatte eine Zeit eben so großer wie fruchtloser Aufregungen durchgemacht; ich mußte wieder Athem schöpfen. Anstatt mich der Verzweiflung zu überlassen, überließ ich mich ruhig meiner Trägheit und dem Walten der Vorsehung, und um ihr Zeit zu lassen, ihr Werk zu verrichten, begann ich, ohne mich dabei allzu sehr zu beeilen, die wenigen Louisd'or, die mir noch blieben, zu verzehren, indem ich den Aufwand für meine sorglosen Vergnügen regelte, ohne ihn ganz einzustellen, und das Café nur noch einen Tag um den andern und das Theater blos zweimal wöchentlich besuchte. Bei den Ausgaben für Mädchen brauchte ich keine Einschränkung eintreten zu lassen, da ich für derlei in meinem ganzen Leben nicht einen Sous verschwendet habe, wenn nicht etwa ein einziges Mal, wie ich bald zu erzählen haben werde.
    Die Sorglosigkeit, die Freudigkeit, die Seelenruhe, mit der ich mich diesem lässigen und einsiedlerischen Leben überließ, für welches meine Mittel keine drei Monate ausreichten, ist eine der Sonderbarkeiten meines Lebens und eine der Seltsamkeiten meines Charakters. Das dringende Bedürfnis, daß sich Fremde meiner annähmen, war gerade das, was mir den Muth raubte, mich zu zeigen, und die Notwendigkeit, Besuche abzustatten, machte sie mir in einem Grade unerträglich, das ich sogar davon Abstand nahm, die Akademiker und andere Gelehrte, bei denen ich schon in geselligen Verkehr getreten war, zu besuchen. Marivaux, der Abbé von Mably und Fontenelle waren fast die einzigen, zu denen ich noch bisweilen ging. Ich zeigte dem ersteren sogar mein Lustspiel Narciß. Es gefiel ihm und er hatte die Gefälligkeit, es zu überarbeiten. Diderot, jünger als sie, war ungefähr von meinem Alter. Er liebte die Musik und verstand ihre Theorie; sie bildete den Gegenstand unserer Unterredungen; er erzählte mir auch von den Werken, die er zu verfassen gedachte. Hierdurch wurde bald eine innigere Verbindung zwischen uns herbeigeführt, die fünfzehn Jahre gedauert hat und wahrscheinlich noch dauern würde, wenn ich mich nicht leider, und noch dazu ganz durch seine eigene Schuld, dem gleichen Berufe wie er zugewandt hätte.
    Man würde sich nicht denken können, worauf ich diesen kurzen und köstlichen Zwischenraum, der mir noch blieb, ehe ich mir mein Brot erbetteln mußte, verwandte: auf das Auswendiglernen von Stellen aus Dichtern, die ich bereits hundertmal gelernt und eben so oft vergessen hatte. Jeden Morgen ging ich, einen Virgil oder einen Rousseau in der Tasche, gegen zehn Uhr in den Luxembourggarten und memorirte dort bis zur Eßstunde bald eine geistliche Ode und bald ein Hirtenlied, ohne mich dadurch abschrecken zu
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