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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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aufgeschrieben und darin transponirt war. Diese Herren hatten gewandte Notenleser in Paris sagen hören, daß die Methode des Transponirens nichts taugte. Hiervon gingen sie aus, um den augenscheinlichsten Vorzug meines Systems gerade als Einwand gegen dasselbe geltend zu machen, und sie fällten das Urtheil, daß meine Bezeichnung der Noten für die Vocalmusik zwar geeignet, für die Instrumentalmusik dagegen unpraktisch wäre. Umgekehrt hätte ihr Urtheil ausfallen müssen, wie sich auch gebührt hätte und meine Notenschrift wäre für die Vocalmusik gut und für die Instrumentalmusik noch besser. Auf ihren Bericht hin gewährte mir die Akademie ein Zeugnis voll sehr schöner Artigkeiten, aus denen hervorleuchtete, daß sie im Wesentlichen mein System weder für neu noch für zweckdienlich erachtete. Ich hielt es nicht für nöthig, das Werk, welches ich unter dem Titel »Abhandlung über die moderne Musik« herausgab, mit einem solchen Schriftstück zu zieren, zumal ich darin bei dem Publikum gegen dasselbe Verwahrung einlegte.
    Bei diesem Vorfalle hatte ich Gelegenheit wahrzunehmen, wie die alleinige, aber gründliche Kenntnis einer Sache selbst einem beschränkten Kopfe eine größere Fähigkeit zu einer richtigen Beurtheilung derselben verleiht, als alle Einsicht, welche die Pflege der Wissenschaften gewährt, wenn man nicht gleichzeitig das besondere Studium, um welches es sich handelt, betreibt. Der einzige beachtungswerthe Einwand, welcher sich gegen mein System erheben ließ, wurde von Rameau gemacht. Kaum hatte ich es ihm auseinandergesetzt, als er die schwache Seite desselben sofort erkannte. «Ihre Zeichen,« sagte er zu mir, »sind in der Beziehung sehr gut, daß sie die Geltung der Noten einfach und klar bestimmen, die Pausen deutlich angeben und in der Verdoppelung stets das Einfache zeigen, lauter Dinge, für welche die gewöhnliche Notenschrift nichts thut; aber sie taugen insofern nichts, als sie eine Geistesthätigkeit verlangen, welche nicht immer der Schnelligkeit der Ausführung zu folgen vermag. Das Auge,« fuhr er fort, »überschaut mit einem Blicke die Stellung unserer Noten und macht diese Geistesthätigkeit deshalb überflüssig. Wenn zwei Noten, eine sehr hohe und eine sehr niedrige, durch eine Reihe dazwischen liegender Noten verbunden werden, so sehe ich auf den ersten Blick ihre stufenweise Verbindung mit einander; aber um bei Ihnen einen sicheren Ueberblick der ganzen Tonreihe zu gewinnen, muß ich notwendigerweise alle ihre Zahlen eine nach der andern lesen; der Ueberblick läßt sich jedoch durch nichts ersetzen.« Gegen diesen Einwurf schien sich nichts einwenden zu lassen, und ich gestand es sofort zu; obgleich er einfach und schlagend ist, gehört doch eine langjährige Uebung in der Kunst dazu, um auf ihn zu verfallen, und es ist deshalb nicht erstaunlich, daß er keinem der Akademiker in den Sinn kam; es ist im Gegentheil nur erstaunlich, daß alle diese großen Gelehrten, die so vielerlei Dinge wissen, so wenig verstehen, daß jeder nur über sein Fach urtheilen sollte.
    Meine häufigen Besuche bei jenen drei Herren wie bei andern Akademikern gaben mir Gelegenheit mit den ausgezeichnetsten Vertretern der Literatur in Paris Bekanntschaft zu schließen; und diese Bekanntschaft hatte schon eine feste Gestalt angenommen, als ich mich später mit einem Male unter sie gerechnet sah. Nur mit meinem Musiksysteme beschäftigt, trug ich mich für den Augenblick hartnäckig mit dem Plane, durch dasselbe eine Revolution in dieser Kunst hervorzurufen und auf diese Weise zu einer Berühmtheit zu gelangen, die sich auf dem Gebiete der schönen Künste in Paris stets mit Vermögen vereint. Ich schloß mich in mein Zimmer ein und arbeitete zwei oder drei Monate mit einem unbeschreiblichen Eifer daran, die Denkschrift, welche ich in der Akademie vorgelesen hatte, zu einem für die Oeffentlichkeit bestimmten Werke umzuarbeiten. Die Schwierigkeit war, einen Buchhändler zu finden, der geneigt war, den Verlag meines Manuscriptes zu übernehmen, in Anbetracht daß die Anfertigung der neuen Notenzeichen einige Ausgaben erforderte, während die Buchhändler selten Lust haben, ihre Thaler den Anfängern an den Kopf zu werfen. Mir hingegen schien es nur ganz gerecht zu sein, daß mir mein Werk das Brot, welches ich während der Abfassung verzehrt hatte, wieder einbrächte.
    Bonnefond verschaffte mir Quillau, den Vater, der mit mir einen Vertrag abschloß, nach welchem ich die Hälfte des Gewinnes
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