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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Aufenthaltes bei Herrn von Mably erneuert hatte. Da ich auf dieser Reise mehr Muße hatte, sah ich sie häufiger; ich verliebte mich in sie, und zwar sehr leidenschaftlich. Ich hatte einige Ursache zu glauben, daß sie mir nicht abgeneigt wäre; aber sie bezeigte mir ein Vertrauen, welches mir die Versuchung benahm, es zu mißbrauchen. Sie hatte nichts und ich eben so wenig; unsere Umstände waren einander zu ähnlich, als daß wir uns hätten verbinden können; und bei den Plänen, mit welchen ich mich trug, war ich weit davon entfernt, an eine Heirath zu denken. Sie theilte mir mit, daß ein junger Großhändler, Namens Genéve, ihr in ernstlicher Absicht den Hof machte. Ich sah ihn ein- oder zweimal bei ihr; er schien mir ein Ehrenmann und galt als ein solcher. Ueberzeugt, daß sie mit ihm glücklich sein würde, wünschte ich, daß er sie heirathen möchte, wie er auch später gethan hat; und um ihre unschuldige Liebe nicht zu stören, beeilte ich mich abzureisen, indem ich dieser reizenden Person von Herzen alles Gute wünschte. Leider sind meine Wünsche hienieden nur auf sehr kurze Zeit erfüllt worden, denn, wie ich in der Folge hörte, war sie schon nach Verlauf von zwei oder drei Jahren ihrer Ehe gestorben. Auf meiner ganzen Reise von einer zärtlichen Trauer erfüllt, fühlte ich und habe es seitdem, wenn ich daran zurückdachte, noch oft gefühlt, daß, wenn die Opfer, welche man der Pflicht und der Tugend bringt, auch schwer fallen, man dafür doch durch die süßen Erinnerungen, die sie in der Tiefe des Herzens zurücklassen, reichen Ersatz erhält.
    In so ungünstigem Lichte ich Paris auf meiner vorhergehenden Reise gesehen hatte, in so glänzendem erblickte ich es auf meiner jetzigen, wobei ich allerdings von meiner Wohnung absehen muß, denn auf eine Adresse hin, die mir Herr Bordes gegeben hatte, stieg ich in dem Hotel Saint-Quentin in der Franziskanerstraße ab, in der Nähe der Sorbonne, in einer häßlichen Straße und in einem häßlichen Hotel, wo ich ein häßliches Zimmer erhielt. Trotzdem hatten daselbst sehr tüchtige Männer gewohnt, wie Gressel, Bordes, die Abbés von Mably, von Condillac und mehrere andere, von denen ich leider keinen mehr antraf. Statt ihrer fand ich daselbst einen Herrn von Bonnefond, einen hinkenden Krautjunker und händelsüchtigen Menschen, der den Puristen spielte. Ihm verdankte ich die Bekanntschaft des Herrn Roguin, jetzt des ältesten meiner Freunde, und durch ihn wieder wurde ich mit dem Philosophen Diderot bekannt, von dem ich in der Folge noch viel werde zu reden haben.
    Ich kam in Paris im Herbste des Jahres 1741 mit fünfzehn Louisd'or baarem Gelde, meinem Lustspiele Narciß und meinem Musikplane als einzigem Hilfsmittel an, und hatte folglich nur wenig Zeit zu verlieren, um so schnell wie möglich Nutzen aus ihnen zu ziehen. Ich beeilte mich, meine Empfehlungsbriefe abzugeben, von denen ich mir vielen Erfolg versprach. Ein junger Mann, der in Paris mit einem leidlichen Aeußern anlangt und in dem Rufe steht, Talente zu besitzen, ist stets einer guten Aufnahme sicher. Sie ward mir zu Theil. Sie gewährte mir zwar mancherlei Annehmlichkeiten, aber keinen größeren Vortheil. Unter allen Personen, denen ich empfohlen war, wurden mir nur drei nützlich: Herr Damesin, ein französischer Edelmann, zu der Zeit Stallmeister und, wie ich glaube, Günstling der Frau Prinzessin von Carignan; Herr von Boze, Secretär der Akademie der Inschriften und Conservator des Münzcabinets des Königs; und der Pater Castel, ein Jesuit und Verfasser des Augenklaviers. Alle diese Empfehlungen hatte ich mit Ausnahme des an Herrn Damesin gerichteten Briefes von dem Herrn Abbé von Mably erhalten.
    Für das augenblicklich Nöthigste sorgte Herr Damesin durch zwei Bekanntschaften, die er mir verschaffte; die eine war die des Herrn Gasc, Parlamentspräsidenten von Bordeaux, der sehr gut Violine spielte, die andere die des Herrn Abbé von Léon, der damals in der Sorbonne wohnte. Er war ein sehr liebenswürdiger Edelmann, der in der Blüte seines Alters starb, nachdem er kurze Zeit in der Welt unter dem Namen eines Chevalier von Rohan geglänzt hatte. Beide hatten Lust bekommen, die Compositionslehre zu studiren. Ich unterrichtete sie einige Monate darin, was meine abnehmende Börse wieder kräftigte. Der Abbé von Léon gewann mich lieb und wünschte, ich sollte sein Secretär werden. Aber er war nicht reich und konnte mir alles in allem nur achthundert Franken anbieten. So leid es mir
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