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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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aufrichtiger Freude verpflichtet hatte. Auch diesmal war er noch immer derselbe. Er besorgte den Verkauf meiner Bücher und gab mir nicht nur selbst gute Empfehlungsschreiben nach Paris mit, sondern verschaffte mir auch noch einige von andern. Ich sah den Herrn Intendanten wieder, dessen Bekanntschaft ich dem Herrn Bordes verdankte, und der dafür sorgte, daß ich auch die des Herrn Herzogs von Richelieu machte, der sich gerade zu jener Zeit in Lyon aufhielt. Herr Pallu stellte mich ihm vor. Herr von Richelieu empfing mich recht freundlich und forderte mich auf, ihn in Paris zu besuchen, was ich auch mehrmals that, ohne daß mir jedoch diese hohe Bekanntschaft, von der ich späterhin noch oft werde sprechen müssen, je in etwas nützlich gewesen wäre.
    Ich sah den Musiker David wieder, der mir auf einer meiner vorhergehenden Reisen in großer Noth bereitwillig beigestanden hatte. Er hatte mir eine Mütze und Strümpfe geliehen oder geschenkt, die ich ihm nie wiedergegeben und er nie von mir zurückverlangt hat, obgleich wir uns nachher oft trafen. Ich habe ihm jedoch in der Folge ein Geschenk von ungefähr gleichem Werthe gemacht. Ich würde Besseres davon erzählen, wenn es sich hier um das handelte, was ich hätte thun sollen; aber es handelt sich hier um das, was ich gethan habe, und das ist leider nicht dasselbe. Ich sah den edlen und großmüthigen Perrichon wieder, und es geschah nicht, ohne daß er mir einen Beweis seiner gewöhnlichen Freigebigkeit gab, denn er machte mir dasselbe Geschenk, das er vorher dem edelen Bernard gemacht hatte, indem er meinen Platz in der Post bezahlte. Ich sah den Chirurg Parisot wieder, den besten und wohlwollendsten der Menschen; ich sah seine theure Godefroi wieder, die er seit zehn Jahren unterhielt und deren ganzes Verdienst fast nur in der Sanftmuth ihres Charakters und in ihrer Herzensgüte bestand, der man sich aber nicht ohne Theilnahme nähern und nicht ohne Rührung Lebewohl sagen konnte, denn sie befand sich in dem letzten Stadium der Schwindsucht, an der sie kurz darauf starb. Nichts giebt die wahren Neigungen eines Mannes besser zu erkennen, als der Charakter seiner Geliebten. [Fußnote: Er müßte sich denn von Anfang an in seiner Wahl getäuscht haben, ober die, welcher er seine Neigung geschenkt, müßte in Folge eines Zusammentreffens von außerordentlichen Ursachen später ihren Charakter geändert haben, was durchaus nicht unmöglich ist. Wollte man diese Behauptung ohne Einschränkung gelten lassen, so müßte man Sokrates nach seiner Frau Xantippe und Dion nach seinem Freunde Calippus beurtheilen, was das unbilligste und unrichtigste Urtheil sein würde, das je gefällt ist. Uebrigens möge man sich hierbei jeder beleidigenden Anwendung auf meine Frau enthalten. Sie ist zwar beschränkter und leichter zu täuschen, als ich erwartet hatte; aber was ihren reinen, vortrefflichen und aufrichtigen Charakter betrifft, so ist derselbe meiner ganzen Achtung würdig und wird sie sich bewahren, so lange ich lebe.] Hatte man die sanfte Godefroi gesehen, so kannte man den guten Parisot.
    Ich war allen diesen ehrlichen Leuten Dank schuldig. Späterhin vernachlässigte ich sie alle, sicherlich nicht aus Undankbarkeit, sondern aus jener unüberwindlichen Faulheit, welche mir oft den Anschein der ersteren verliehen hat. Nie ist das Gefühl ihrer Freundlichkeit in meinem Herzen geschwunden, aber es würde mir weniger schwer gefallen sein, ihnen meine Erkenntlichkeit durch die That zu beweisen, als sie ihnen beständig zu versichern. Die Pünktlichkeit im Briefschreiben hat stets meine Kräfte überstiegen; sobald ich anfange, mich dazu aufzuraffen, zeigen mir Scham und Verlegenheit meine Schuld in einem noch schlimmeren Lichte, und ich bin nun erst recht außer Stande zu schreiben. Ich habe also Stillschweigen beobachtet und geschienen, sie zu vergessen. Parisot und Perrichon haben es nicht einmal beachtet, und ich habe sie stets als die nämlichen wiedergefunden; aber zwanzig Jahre später wird man an Herrn Bordes erkennen, bis zu welchem Rachedurst die verletzte Eigenliebe einen Schöngeist fortreißen kann, wenn er sich vernachlässigt glaubt.
    Bevor ich Lyon verlasse, muß ich noch einer liebenswürdigen Persönlichkeit erwähnen, welche ich daselbst mit größerer Freude als je wiedersah, und die in meinem Herzen sehr zärtliche Erinnerungen zurückließ; es ist Fräulein Serre, von welcher ich im ersten Theil gesprochen habe, und deren Bekanntschaft ich während meines
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