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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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dirigierte. Fast, wie ihn beim Onanieren zu beobachten.
    „Haha“, machte Siebling, als sein animiertes Alter Ego sich einer von Pfeilen durchbohrten Leiche näherte. „Haha.“
    Und ich stellte mir vor, wie rund um den Globus Millionen von wie auch immer zu kurz Gekommenen diese Riesen, Tauren, Orks und ach so smarten Magier befehligten. Jeder ein großer Krieger, jeder ein kleiner Gott, Herr über Leben und Tod.
    Na, immer noch besser, als wenn sie zur Flasche griffen, dachte ich. Oder Klebstoff schnüffelten. Oder - schlimmer noch - wenn sie anstatt an den Konsolen ihrer Spielzeugrechner alle hinter den Lenkrädern ihrer piefigen kleinen Autos mit Hängerkupplung hockten und den Verkehr behinderten, wie die Holländer. Bring die Dinge in Perspektive, sag ich immer, und fühle den Wonneschauer der Toleranz.
    „Haha“, machte Siebling mechanisch, als ein weiterer Toter in Sicht kam. „Haha“, beim nächsten. „Haha.“ Ich wandte mich ab. Besser du als ich, dachte ich. „Haha. Denen haben wir's gezeigt, was?“ Ich ging zurück ins Wohnzimmer, weiter zur Tür. „Haha“, folgte mir.
    „Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch ein paar Kopfschmerztabletten irgendwo in der Tasche haben?“
    „Sicher“, antwortete ich. Irgendwie, musste ich mir eingestehen, hatte ich es nicht fertiggebracht, das Ehepaar Siebling/Kerner für mein Anliegen zu interessieren. Ein Anliegen, das doch eigentlich ihres war. „Dann machen Sie, dass Sie rauskommen, Sie Arschloch.“
    „Haha“, kam es aus dem Kinderzimmer. „Haha.“
    Feuchte Wände. Abgefallene Fliesen. Schimmelflecken. Vielfältige Fehlfunktionen der elektrischen oder sanitären Installationen. Einem auch nur halbwegs engagierten Hausmeister geht die Arbeit nicht aus, öffnen sich alle Türen, alle Herzen.
    Ich schraubte, wurschtelte, begutachtete, tröstete und vertröstete und stellte nebenher ruhig und geduldig meine Fragen zu den Einbrüchen. Mal abgesehen von der einen oder anderen, dann aber gern gleich weltumspannenden Verschwörungstheorie beschränkten sich die Verdächtigungen meist auf die eigenen Nachbarn, vorzugsweise neu hinzugezogene, anderssprachige, andersfarbige, andersgläubige. Irgendwelche wirklich brauchbaren Hinweise bekam ich nicht. Dafür gleich kannenweise Kaffee und jede Menge Angebote zu feuchtfröhlicher Zweisamkeit. Als ich Feierabend machte, hatte ich meine Fahrtüchtigkeit eingebüßt, einen weithin sichtbaren Koffein-Tremor entwickelt und die Handynummern samt Einladungen zum Abendessen gleich dreier Damen von neckischer Natur in der Brusttasche. Kein großer Freund von Hausmannskost oder Bienenstich, war ich einer Mastkur knapp entgangen. Dafür hatten sie alle ihre mütterlichen Füttertriebe an Struppi ausgetobt. Er begann mehr und mehr einer übervoll gestopften Leberwurst zu ähneln. Der guten, groben, im Naturdarm. Und ich hatte die Schadensliste noch nicht mal halb durch.
    Trotzdem, morgen kamen erst mal die Leute an die Reihe, bei denen tatsächlich eingebrochen worden war. Als Hausmeister hatte ich mich einigermaßen etabliert. Jetzt wurde es Zeit, zum Kern des Problems vorzudringen.
    Schrotthändler Heiner Sültenfuß hatte mir wie versprochen den Ersatz für die vier zerstochenen Reifen samt Rädern geliefert, in den Kofferraum des Toyotas gepackt und war wieder gefahren, ohne eine Bezahlung abzuwarten. Heiners Vertrauen in meine Zahlungswilligkeit ist unbegrenzt. Er wusste, ich würde zu ihm kommen und meine Schulden begleichen. Spätestens, wenn ich das nächste abgefallene, festgefressene, durchgerostete oder sonst wie hinfällig gewordene Teil für mein Auto brauchte. Also aller Erfahrung nach bald. Ich habe gute, beste Freunde, die ich seltener zu Gesicht bekomme als Heiner Sültenfuß.
    Wagenheber und Radkreuz fanden sich unterm Beifahrersitz. Wenn ich mich ein bisschen beeilte, bekam ich die Räder gewechselt, bevor es vollständig dunkel wurde.
    Ich hatte den ersten Radbolzen noch nicht gelöst, als sich Rotzig & Rotzig zu mir gesellten. Wenn auch in respektvollem Abstand. Der Bolzen saß gottverdammt fest, und von Gewichthebern mal abgesehen, weiß ich niemanden, der sich gern dabei beobachten lässt, wie sein Kopf allmählich anläuft, bis er auf die Distanz nicht mehr vom Gesäß eines Pavians zu unterscheiden ist. Deshalb schenkte ich mir eine Begrüßung der beiden genauso wie jede andere Geste, die sie zum Verweilen ermutigt hätte.
    Wie sich herausstellte, hätte es keiner Ermutigung bedurft. Sie blieben
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