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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot
Autoren: Oliver Buslau
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und begrüßte sie bürgerlich, indem ich ihre Hand schüttelte. Sie sah mich aus kleinen schwarzen Augen an. Ihr Mund war dünn wie ein feiner Strich, ihre Nase spitz und klein. Eine herbe Parfümwolke begann mich einzuhüllen.
    »Sehr erfreut. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.« Die Bewegungen ihres Mundes verursachten Falten.
    »Das weiß ich«, sagte ich, und Jutta, die hinter ihrer Freundin stand, verdrehte die Augen.
    »Wollen wir uns nicht wieder setzen?«, fragte Jutta, und die Frau Baronin stöckelte vor mir her in Richtung Sofa. Ihre Absätze tackerten ein Staccato in die Stille.
    Wir nahmen alle drei in Juttas Sitzgarnitur Platz. Juttas liebe Freundin schlug die Beine übereinander. Auf dem Tisch standen zwei Weingläser, in denen rötliche Reste schimmerten.
    »Und?«, fragte ich.
    »Agnes wird dir erzählen, worum es geht«, sagte Jutta.
    Ich schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht.«
    »Was denn dann?«
    Ich richtete mich auf. »Normalerweise bekomme ich bei dir etwas angeboten, wenn ich zu Besuch komme. Was hast du im Haus?«
    Jutta schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt eine geschäftliche Besprechung, kein Besuch.«
    Die Baronin verzog den Strichmund zu einem schlangenhaften Grinsen und strich sich die dunklen Haare zurück. Der leichte Lufthauch, der bei der Bewegung entstand, verbreitete wieder den schweren Duft.
    »Soso, eine geschäftliche Besprechung.« Mir wurde plötzlich kalt. »Aber rauchen darf ich dabei, oder?« Ich zog eine Camel hervor und steckte sie an.
    »Tja«, begann Jutta. »Ich schlage vor, dass du jetzt erzählst, worum es geht, Agnes. Wir wollen Remigius ja nicht so lange aufhalten.«
    Remigius! So hatte mich Jutta noch nie genannt. Erst der »liebe Junge« und jetzt das!
    »Gute Idee«, sagte die Baronin, sprach aber nicht weiter. Offenbar war ihr noch nicht so richtig klar, was sie von mir halten sollte.
    Ich zog an der Zigarette und atmete eine Ladung Rauch aus, die sich über den Tisch verbreitete. Agnes von Rosen-Winkler lehnte sich im Sessel zurück.
    »Es geht um mein Geschäft«, sagte sie schließlich.
    Das Alter dieser Rosen-Winkler war gar nicht so einfach zu schätzen. Es konnte irgendwo zwischen vierzig und fünfundsechzig liegen. Das eigenartige Silber war nicht das einzige Make-up, das sie trug. Ihr ganzes Gesicht wirkte wie hinter einer Maske verborgen. Zombiehaft.
    »Frau von Rosen-Winkler hat eine Boutique in Remscheid«, erklärte Jutta.
    »Ein Brautmodengeschäft«, ergänzte ihre Freundin. »In der Fußgängerzone. Und seit einiger Zeit gibt es da ein bestimmtes Problem.«
    Ich zog wieder an der Camel, wollte die Asche abstreifen und sah mich nach einem Aschenbecher um.
    »Und?«, fragte ich.
    Agnes von Rosen-Winkler schlug die Stirn in Falten, wodurch ihre Make-up-Schicht Risse zu bekommen schien. »Irgendjemand hat mein Schaufenster mit Farbe besprüht«, sagte sie.
    »Graffiti?«, fragte ich.
    Sie strich sich wieder durch die Haare. »Schon. Es ist aber kein normales Geschmiere. Nicht diese Grafiken und merkwürdigen Schriften, die sonst überall auftauchen. Eher Beschimpfungen. Obszönitäten.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie warf mir einen abschätzigen Blick zu und sah dann schnell zu Jutta hinüber. »Sie glauben doch nicht etwa, dass ich das jetzt hier zitiere?«
    »Entschuldigen Sie, ich will mir nur ein Bild machen.« Ich zog wieder an der Zigarette, die Asche fiel herunter und zersprang auf dem blanken Tisch zu einer Staublache. Jutta stand auf.
    »Das können Sie haben.« Die Baronin griff nach der Handtasche neben sich und holte etwas heraus. Sie sah einen Moment hilflos um sich. Jutta kam zurück, mit einem kleinen Schälchen in der Hand. Mit der hohlen Hand bugsierte sie die Asche hinein. Als der Tisch sauber war, legte Agnes von Rosen-Winkler ein Foto darauf.
    »Hier sehen Sie, was ich meine.«
    Ich erkannte Schaufensterpuppen in schneeweißen Brautkleidern. Der Blick auf die Vermählungsklamotten war jedoch durch eine ungelenke, riesige schwarze Schrift getrübt. »HURE«, stand in großen Lettern schräg auf der Scheibe; daneben ein gewaltiges Ausrufezeichen. Die schwarze Farbe zog sich bis auf den Mauersockel hinunter.
    »Meinen Sie, da hat es jemand auf Sie persönlich abgesehen?«
    Sie nickte. »Garantiert.« Sie griff neben sich und zeigte ein weiteres Bild. »Ich hatte gerade alles reinigen lassen, da erfolgte schon die nächste Schweinerei. Drei Tage später.«
    Der unbekannte Maler bewies Fantasie. Diesmal war die Schrift rot:
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