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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot
Autoren: Oliver Buslau
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Maschinen, die sie am Leben erhielten.
    In meinem Kopf spukten Bilder herum - Bilder vom Friedhof, wo ich Svetlana kennen gelernt hatte, Bilder von Svetlana im Auto. Bilder von Svetlana in ihrer Wohnung. Der Moment, wie sie mir die Hand gereicht und »Freunde« gesagt hatte. Und das Bild von der Baronin: verletzt in ihrem Wagen. Ihr diabolisches Grinsen … Das Blut an Svetlanas Hals … Es pulsierte und pulsierte …
    Ich konnte das Durcheinander von Erinnerungen nicht mehr ertragen und ging. Die Bilder aber gingen mit, während ich nach Hause fuhr, duschte, mich umzog und mich schrecklich müde fühlte, aber nicht schlafen konnte.
    Später klingelte das Telefon.
    »Rott?«
    »Krüger hier. Wir haben mit Frau Ziebold sprechen können.«
    »Sie sagen Ziebold? Hatte ich also Recht?«
    »Vollkommen. Wir haben auch schon Tristan Sülzbachs Leiche gefunden.«
    »Was?«
    »Sie lag in einem Waldstück in der Nähe der Wuppertalsperre. Sülzbachs Porsche war in Remscheid in der Innenstadt geparkt. Sie hat tatsächlich darauf gesetzt, als verlassene Braut dazustehen.«
    »Kaltblütig.«
    »Und wie. Um den Verdacht von sich abzulenken, ist sie weiter mit Sülzbachs Wagen unterwegs gewesen. Daher die Episode auf dem Autobahnparkplatz. Da hatte sie vorgehabt, Sie auszuschalten.«
    Und die plötzlich auftauchenden Technofreaks hatten mich gerettet.
    »Wann ist Sülzbach umgekommen?«
    »Letzten Sonntag.« Das Wochenende, an dem ich mich voller Liebeskummer verschanzt hatte.
    »Er hat geahnt, wer sie wirklich war. Er hat ihr tatsächlich von seiner Begegnung mit Reinsdorf erzählt. Sie hat ihn und Reinsdorf übrigens mit ihrer eigenen Pistole erschossen. Wohl eines der Relikte aus der alten Zeit.«
    Krüger verabschiedete sich. Ich legte auf und ließ mich aufs Bett fallen.
    Kein Schlaf war zu finden. Dafür kehrten immer wieder die Bilder zurück. Das Maisfeld. Der Moment, in dem hinter Reinsdorf die Scheibe zerplatzte. Svetlanas nächtliche Fahrt mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone. Und wir hatten uns im Café Engel verabredet…
    Irgendwann verwischte sich alles, und ich hatte das Gefühl, immer noch mit Svetlana durchs Bergische Land zu fahren. Plötzlich reichte sie mir mein Handy. Hatte das nicht auf dem Rücksitz gelegen? Wo hatte sie es nur her?
    Ich wurde wach. Das Telefon im Büro klingelte. Es musste spät in der Nacht sein.
    Ich wollte aufstehen, doch alles war mir zu schwer. Ich ließ es läuten. Der Anrufbeantworter sprang klackernd an. Es dauerte eine Weile, dann tönte eine Stimme durch das Büro. Ich kannte sie. Der Arzt aus dem Krankenhaus.
    Als ich endlich aufgesprungen war und das Telefon erreicht hatte, war es schon zu spät. Ich drückte mit zitternden Fingern den Knopf, der das Gerät veranlasste, die Nachricht zu wiederholen. Die Meldung war lapidar: Der Mann bat um Rückruf.
    Ich tippte mit zitternden Fingern die Nummer ein, die mir der AB sagte. Eine Frau meldete sich. Ich fragte mich durch. Dann hatte ich den Mediziner endlich an der Strippe.
    »Ja - hier Rott. Sie wollten mich sprechen?«
    »Frau Ahrens bat mich, Sie anzurufen, wenn …«Er brach ab.
    »Ja. Und? Was gibt es?«
    »Es tut mir Leid.«
    »Was?«
    »Wir können nichts mehr tun.«
    »Was heißt das?«
    »Sie hat es nicht geschafft.«
    Etwas in mir weigerte sich, es zu glauben.
    »Es tut mir Leid«, wiederholte er. »Sie ist vor fünfzehn Minuten gestorben. Kennen Sie vielleicht jemanden aus ihrer Verwandtschaft, an den wir uns wenden können?«
    Ich weiß nicht, was ich tat. Ich glaube, ich legte langsam den Hörer auf und blieb eine Weile wie versteinert stehen.
    Es war stockdunkel im Raum. Ich tastete zur Schreibtischlampe und machte Licht. Mein Blick blieb an etwas Schwarzem hängen, das auf dem Schreibtisch lag. Svetlanas Wollmütze.
    Das Licht traf sie, und etwas schimmerte darin. Das einzelne rote Haar. Ich strich über die weiche Wolle. Ich nahm die Mütze und ging zum Fenster.
    Ich blieb unbeweglich stehen und sah hinaus in die Dunkelheit. Irgendwann wurde mir bewusst, dass mir mein eigenes Spiegelbild entgegenstarrte. Es war geisterhaft mit den nächtlichen Lichtern der Stadt vermischt.
    Langsam löste sich das Ganze auf. Meine Gestalt verschwamm mit allem anderen hinter einem rötlichen Schleier.
    Und dann sah ich nichts mehr.
    Nichts als tiefe, undurchdringliche Schwärze.

Nachwort
    Vieles in dieser Geschichte habe ich einer Reihe von zuverlässigen und geduldigen Informanten zu verdanken: Tim Kleinfeld klärte mich über
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