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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot
Autoren: Oliver Buslau
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Es wirkte, als hätte sie so etwas schon hundertmal getan.
    Dann explodierte etwas. Der Knall war ohrenbetäubend.
    Ich sah nach rechts - genau in Svetlanas verwundertes Gesicht. So ähnlich hatte sie ausgesehen, als ich sie vor dem Laden ertappt hatte - damals, irgendwann. Aber jetzt war da rote Flüssigkeit an ihrem Hals - so viel, als hätte ihr jemand einen Eimer Farbe entgegengeschüttet.
    Ich riss mich los. Als ich bei ihr war, lag sie am Boden und hatte die Augen starr aufgerissen. Das Blut wurde immer mehr; es pulsierte aus einer grässlichen Wunde.
    Jemand packte mich. Ich sah nach oben: Es war Jutta. Sie bewegte den geschminkten Mund, doch ich konnte nichts hören. Volker tauchte zwischen den Köpfen auf, die zu mir heruntersahen. Er sagte etwas zu Jutta. Sie holte ein Handy aus ihrer Handtasche. Volker nahm es. Er sprach mit mir. Es dauerte quälend langsam, bis ich es verstand.
    »Sie haut ab. Los. Ich kümmere mich um das Mädchen.«
    Aus den Augenwinkeln registrierte ich, dass die Baronin in den Mercedes gesprungen war. Die Fahrertür knallte zu, ein Teil des Brautkleides hing heraus. Der livrierte Fahrer war verschwunden.
    Ich erreichte den Golf. Als ich einstieg, brauste die Baronin gerade an mir vorbei. Ich ließ den Motor aufheulen und folgte ihr, doch als ich den Mercedes wieder zu Gesicht bekam, kurvte er schon durch den Kreisverkehr und bog auf die Ständerstraße Richtung Lennep ein.
    Die Verfolgung war kompletter Wahnsinn. Aber ich hatte mich in diesem Moment vom rationalen Denken verabschiedet. Ich wollte Agnes, die Baronin, die gar keine Baronin war. Ich wollte die Lösung des Rätsels. Ich wollte wissen, was mit Sülzbach passiert war. Ich wollte wissen, wie sie es geschafft hatte, ihre Identität zu wechseln.
    Und ich wollte sie fertig machen, weil sie auf Svetlana geschossen hatte.

20. Kapitel
    Es ging die Lenneper Straße entlang. Der Mercedes gewann an Tempo. Die erste Ampel, die ihn stoppte, war die an der Autobahnauffahrt. Die Baronin zögerte kurz, fuhr dann aber einfach weiter. Ein Hupkonzert ertönte. Ich war zwei Wagen weiter hinten, scherte aus der Schlange aus und folgte ihr, indem ich über den Gehsteig bretterte.
    Die Baronin legte Abstand zu, aber ich blieb dran. Das mit den Ampeln wiederholte sich mehrmals. Dann kamen wir aus den Wohngebieten heraus. Links und rechts gab es Wiesen und Weiden, die Landschaft war hügelig. Der PS-stärkere Mercedes drohte mir davonzufahren.
    Doch es sollte nicht dazu kommen. Irgendetwas war der Baronin plötzlich im Weg. Rote Bremslichter zeigten an, dass sie gewaltig in die Eisen stieg. Der Wagen ging ruckartig auf die linke Spur, offenbar wollte sie das Hindernis überholen, doch die Bewegung war zu abrupt gewesen. Der Mercedes fuhr nur noch auf zwei Rädern, die anderen hoben sich bedrohlich hoch in die Luft, und im nächsten Moment krachte das Nobelgefährt aufs Dach. Funken stoben, als das Metall den Asphalt entlangkratzte. Schließlich donnerte der Mercedes, verkehrt herum, wie er war, einen kleinen Abhang hinunter auf eine Weide.
    Zwei Sekunden später war ich da. Das Hochzeitskleid, das immer noch aus der Tür hing, hatte seine weiße Unschuld verloren. Der Stoff sah aus wie ein dreckiger Lappen. Ich zerrte an der Fahrertür; sie klemmte zuerst, dann schaffte ich es. Der Stahl gab ein hässliches Kreischen von sich.
    Die Baronin lag auf dem nach unten gedrehten Wagenhimmel. Sie blutete am Kopf; es sickerte ihr seitlich durch die Haare und über das Ohr. Sie bewegte sich nicht, aber ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig unter dem Spitzenstoff des Hochzeitskleides. Ich kniete vor dem schrottreifen Wagen und starrte die verletzte Frau an. Sie starrte zurück. Die Zeit stand still.
    »Warum haben Sie das getan?«, wollte ich rufen, aber meine Stimme war nur ein Krächzen. In meinen Ohren summte es.
    »Reden Sie schon. Haben Sie Tristan getötet?«
    Plötzlich wurde vor meinen Augen alles grau. Ich stützte mich auf das verbogene Metall. Nach ein paar Sekunden ging es wieder. Die Frau im Brautkleid schwieg immer noch. Ihr Atem ging flach.
    »Verdammt, nun reden Sie schon!«, schrie ich. »Sie wollen doch, dass ich Hilfe hole, oder?«
    Eine ganze Weile tat sie nichts anderes als starren und atmen.
    Dann öffnete sie den Mund und verzog ihn zu einem teuflischen Grinsen.
    *
    Irgendwann packte mich jemand hart von hinten. »Alles klar?«, rief eine aufgeregte Stimme. »Sind Sie verletzt?«
    Ich drehte mich um. Ein Mann in blauer Latzhose
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