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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub
Autoren: Paul J. McAuley
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als du, Wei Lee. Nimm dieses Radio aus dem Ohr! Wenn ich
ein Ku li-Bandit gewesen wäre, hätte ich dir die
Kehle durchschneiden können.«
    »Was für ein Glück, daß du bloß
Guoquiang bist.«
    »Vielleicht sollten wir Maschinen bauen, die uns zum Versteck
dieser degenerierten Anarchisten hinausbringen«, sagte
Guoquiang. Sein Gesicht war im Jupiterlicht ein weißer
verschmierter Fleck. Er war barfuß und trug lediglich Hemd und
lose Hosen, bemerkte anscheinend den eiskalten Wind nicht, der an der
Decke zerrte, die Lee um die Schultern gelegt hatte. »Sie
vermehren sich dort wie Sandfliegen. Um Unkraut zu vernichten
mußt du es mit den Wurzel ausreißen.«
    »Sind die Anarchisten denn Insekten oder Pflanzen?«
    »Die Große Neueinschätzung war vor zehn Jahren,
Wei Lee. Man wird nicht die Himmelsstraße benutzen, um
Maschinen mit Fähigkeit zum Angriff zu bauen und die streunenden
Hunde von Anarchisten zu vernichten, welche die Asteroiden unsicher
machen.«
    »Da ist vielleicht was dran.« Lee verspürte
Unbehagen wegen der Anspielung auf die Revolution, die der Niedergang
seiner Eltern gewesen war.
    Guoquiang sah zu dem sternübersäten Himmel auf.
»Natürlich«, sagte er, »sind viele der
Zehntausend Jahre gegen diese Idee. Sie kennen lediglich die
Sicherheit der Vergangenheit, der Sitte. Jedes Jahr wachsen wir
näher an die Vergangenheit heran, Wei Lee.«
    »Unsere Beharrlichkeit ist unsere Stärke«, zitierte
Lee.
    Guoquiang lachte, erinnerte sich daraufhin an die eingebildete
Bedrohung durch die Ku li, und flüsterte:
»Das hört sich ebenso überzeugend an wie eine
Werbesendung für einen industriellen Klebstoff. Du mußt
mir keine Floskeln vorbeten, Lee. Stimmt es wirklich, daß du da
oben geboren bist?«
    »Ich wurde empfangen, wie ich dir, glaube ich, erzählt
habe, als meine Eltern sich auf einer diplomatischen Mission
befanden. Damals haben wir noch mit den Anarchisten Handel
getrieben.« Der Bibliothekar, der geduldig in den Datenstapeln
arbeitete. Gerade jetzt könnte er seine Eltern gefunden haben.
Oder von einem Wächter zerstört worden sein.
    »Einige von ihnen versuchen natürlich noch immer, mit
uns Handel zu treiben. Und sie handeln ganz sicher mit den Ku li. Die Spuren, die ich gesehen habe, könnten von Ku li gemacht worden sein, die zu einem Landeplatz unterwegs
sind.«
    »Ich könnte mir vorstellen, daß die Ku li wenig zu bieten haben.«
    »Sie versprechen die Zukunft, deine und meine und die der
ganzen Welt. Es ist natürlich nicht an ihnen, sie zu
versprechen, aber ich schätze, das gehört nicht zur
Sache.«
    »Statt dessen handeln die Zehntausend Jahre mit dem irdischen
Konsens«, sagte Lee. »Ich frage mich, wer recht
hat?«
    »Natürlich die Zehntausend Jahre. Weil sie im Namen des
Kaisers regieren, wie sie es immer tun werden.«
    »Die Anarchisten verändern sich, und die Erde
verändert sich nicht, und der Kaiser hat weit mehr als ein Jahr
lang geschwiegen. Gehört die Zukunft der Vergangenheit oder der
Zukunft?«
    Guoquiang biß nicht an. Statt dessen rief er: »Sieh
mal!«
    Etwas fiel auf einer langen Spur über den Himmel auf sie zu.
Es glühte weiß, und Flammenzungen sprühten in seinem
Kielwasser. Lee und Guoquiang warfen sich zu Boden, als das Ding
über ihren Köpfen brannte. Dann Schweigen. Im Jupiterlicht
sah Lee Xiao Bing über den erodierten Rand des Kraters auf sie
zu klettern.
    Guoquiang stand auf und klopfte sich Staub aus den Kleidern.
»Hast du gesehen, wo es hingefallen ist? Es ist vielleicht
intakt!«
    »Ich glaube nicht, daß es weit weg ist«, sagte
Lee. »Es war gleich über unseren Köpfen. Diese Dinger
gleiten, sie fliegen nicht wirklich. Also ist es, je niedriger es
fliegt, desto näher an der Landung.«
    »Oder an der Bruchlandung«, sagte Xiao Bing. »Ich
frage mich, ob die Fracht überlebt hat!«
    In ihrer Aufregung hatten sie sowohl ihre Auseinandersetzung als
auch die Bedrohung durch die Ku li vergessen.
    Xiao Bing errichtete das Feuer, die drei Kader setzten sich darum
und spekulierten darüber, was das Ding gewesen sein könnte.
Ein Robotschiff der Anarchisten, kein Zweifel, aber was hatte es an
Bord? Einen solchen Preis zu finden wäre eine große Ehre
für das Danwei von Bitterwasser, schloß Guoquiang,
und Lee verspürte unter seiner Gefühlsregung den
unausgesprochenen Wunsch, den sie alle teilten, daß es für
sie selbst größere Ehre bringen mochte.

 
     

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5
     

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    Sie brachen bei der Morgendämmerung auf und wandten
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