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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion
Autoren: C. C. Bergius
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das die Worte Ihres Fremdenführers? Er beherrschte sich jedoch und war froh, keinen neuen Fauxpas begangen zu haben.
    Eine Weile plauderten sie noch über Rotterdam, dann lag die Stadt hinter ihnen, und die Fahrt der ›Bayern‹ wurde merklich beschleunigt. Zu beiden Seiten der ›Nieuwe Maas‹ breitete sich stilles Marschland mit saftigen Weiden aus, auf denen schwarzweiß gefleckte Kühe grasten. Der Friede des beginnenden Abends lag in der Luft. Am Himmel dahinsegelnde Wolken erhielten rotgoldene Ränder. Das Wasser des Flusses färbte sich dunkel. Der Horizont versank in grauem Dunst, und über die Polder hinweg zauberten Windmühlenflügel beschauliche Zeiten herauf.
    Margit Holstein rieb sich die Arme. »Mir wird es zu kühl. Ich muß mir einen Mantel holen.«
    »Eine gute Idee«, erwiderte Gordon Cooper. »Ich werde ebenfalls so vernünftig sein. Rheumatismus wird auf See bekanntlich gratis geliefert.«
    Gemeinsam gingen sie nach unten, wobei Cooper insgeheim registrierte: Aufrechte Haltung, schmale Taille, schlanke Beine, federnder Schritt.
    Als sie das Lido-Deck überquerten, schauten einig Passagiere hinter ihnen her.
    Jetzt werden sie tratschen, dachte Margit Holstein, die schon eine Woche an Bord der ›Bayern‹ war und in dieser Hinsicht einiges erlebt hatte. Aber das machte ihr nichts aus. Sie wußte, was sie zu tun und zu lassen hatte.
    Als beide in Mänteln zurückkehrten und erneut zum Bootsdeck emporstiegen, war für verschiedene Damen das Thema des Abends gesichert. Ohne es zu ahnen, trug Gordon Cooper allerdings dazu bei, denn er hielt seinen Arm wie schützend hinter Margit Holstein, als diese mit ihm die etwas steilen Stufen hinaufstieg.
    »Wohin reisen Sie eigentlich?« erkundigte er sich, als sie die Reling erreichten und über das friedliche Land hinwegblickten.
    »Nach Malaysia«, antwortete sie und schloß ihren Mantelausschnitt. »Genauer gesagt, nach Kuala Lumpur. Ich gehe in Penang von Bord. Heute in fünfundzwanzig Tagen.«
    »Ich reise nach Hongkong«, erwiderte er.
    »Dann bleiben Sie ja fast fünf Wochen auf dem Schiff.«
    Er nickte.
    »Waren Sie schon in Ostasien?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Bin irrsinnig gespannt.«
    »Worauf?«
    »Auf das, was ich zu sehen bekomme«, antwortete sie belustigt. »Ich bleibe sechs Monate in Kuala Lumpur und nehme an, daß ich auch andere Teile des Landes kennenlernen werde. Penang ja ohnehin, und Ipoh liegt auf der Strecke nach Kuala Lumpur. Ayer-Itam und Sam-Poh-Tong sind mir also sicher.«
    Gordon Cooper schaute sie von der Seite an.
    »Entschuldigen Sie, ich weiß nicht, wovon Sie reden… Margit«, fügte er etwas stockend hinzu. »Ayer-Itam? Sam-Poh-Tong? Was sind das?«
    Sie konnte ihre Verblüffung nicht verbergen. »Aber Gordon! Sie fahren über Penang und wissen nichts vom Ayer-Itam-Tempel? Wenn jemand nach Kairo reist, informiert er sich doch auch über die Cheopspyramide.«
    »Hoppla!« entfuhr es Cooper. »Ich glaube, da besteht aber ein gewaltiger Unterschied.«
    »Für mich nicht«, entgegnete sie bestimmt. »Entwicklungsgeschichtlich ist…«
    »Moment!« unterbrach er sie ungebührlich. »Entwicklungsgeschichtlich, sagten Sie? Beschäftigen Sie sich womöglich mit Völkerkunde oder dergleichen?«
    »Mit vergleichender Völkerkunde«, antwortete sie betont. »Ich habe Ethnologie studiert und erhielt ein Stipendium der Universität Kuala Lumpur.«
    Cooper rieb sein Kinn. »Dann verstehe ich, daß für Sie Ayer…«
    »… Itam und Sam-Poh-Tong…«
    »… hochinteressant sein müssen«, führte er seinen Satz unbeirrt zu Ende. »Für einen normalen Erdenbürger jedoch nicht. Nehmen Sie es mir nicht übel, Margit, ich weiß nicht einmal, was man mit Ethnologie anfangen kann.«
    Sie lachte, doch ihr Lachen hatte einen bitteren Unterton. »Es ist immer wieder das gleiche: Ethnologie wird als etwas Wirklichkeitsfremdes angesehen. Dabei ließe sich beispielsweise die Ostasienpolitik wesentlich besser gestalten, wenn man sich mehr nach den geschichtlichen und ethnischen Hintergründen der jetzigen Lage richten würde als nach technisch-wirtschaftlichen Überlegungen, die ohnehin nur für eine relativ kurze Zeit Gültigkeit haben.«
    Cooper fuhr sich durch die Haare. »Gehen Sie jetzt nicht ein bißchen zu weit? Man kann sich in der Politik doch nicht nach…«
    »Man muß es sogar tun, wenn man Fehler vermeiden will!« unterbrach sie ihn temperamentvoll. »Ein Beispiel nur: Der Monsun hat zu allen Zeiten in die Geschichte
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