Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
sich immer geweigert zu tanzen. Schon auf der Universität. Warum hatte sie all das so gelassen hingenommen, seine Entscheidungen, seine Vorlieben? Es hatte ihr so viel Spaß gemacht, damals, bevor sich alles veränderte.
    Sie schloss das Auto auf, stieg ein und legte die Blumen und |30| die Plastiktüte mit den Zutaten für das Mittagessen auf den Beifahrersitz.
    Sie war frei von Christo.
    Sie stieg aus, schloss die Tür und machte sich auf den Weg zum Studio.
     
    Auf der Tanzfläche sah sie in dem hellen Licht, das durch die Fenster fiel, einen Mann und eine Frau. Jung. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und eine schwarze Weste, sie ein kurzes, weinrotes Kleid. Ihre Beine waren lang und wohlgeformt. Ein Tango ertönte aus den Lautsprechern, und die beiden schwebten mühelos und graziös über das Parkett.
    Milla starrte sie an, gefesselt von der Schönheit dieser Szene, den flüssigen, harmonischen Bewegungen, der sichtlichen Freude des Paares. Eine plötzliche Sehnsucht erfüllte sie – irgendetwas auch so virtuos zu beherrschen, etwas Schönes, in dem man ganz aufgehen konnte, ein Erlebnis für die Sinne, ein Geben und Nehmen zugleich.
    Wenn sie nur so tanzen könnte! So frei.
    Schließlich ging sie zum Empfang. Eine Frau blickte auf und lächelte.
    »Ich möchte mich zu einem Kurs anmelden«, sagte Milla.
     
    (7. August 2009. Freitag.)
    Sie hatte sich die Haare schneiden und färben lassen. Ihre Kleidung sorgfältig ausgewählt. Ihr Ziel war lässiger Schick, beiläufige Eleganz, indem sie Stiefel und einen schwarzen Rollkragenpulli zu einer langen Hose trug und mit einem roten Schal kombinierte. Doch während sie im Café des Pressegebäudes Media24 auf eine Freundin wartete, fühlte sie sich unsicher – das Make-up erschien ihr zu hell, der Schal zu leuchtend. Insgesamt wirkte sie zu förmlich, zu übertrieben zurechtgemacht.
    Doch als ihre Freundin erschien, sagte sie: »Milla! Du siehst ja toll aus!«
    |31| »Findest du?«
    »Du weißt, dass du schön bist.«
    Nein, das wusste sie nicht.
    Die Freundin hatte vor fast zwanzig Jahren mit ihr zusammen studiert und Karriere als Journalistin gemacht. Die Freundin hatte eine Topfigur und war inzwischen zur stellvertretenden Chefredakteurin einer bekannten Frauenzeitschrift aufgestiegen. Sie sprach oft in Anführungs- und mit Ausrufezeichen.
    »Wie geht es dir denn?«
    »Gut.« Etwas unsicher fügte Milla hinzu: »Ich will anfangen zu arbeiten.«
    »Dein Buch schreiben? Endlich!«
    »Nein, ich suche eine Stelle als Journalistin …«
    »Nein! Milla! Warum denn? Hast du Probleme?«
    Sie konnte noch nicht über alles reden. Deswegen zuckte sie nur mit den Schultern und sagte: »Barend ist erwachsen, ich muss seinetwegen nicht mehr zu Hause bleiben.«
    »Milla! Das wird aber schwierig werden. Du hast die falsche Hautfarbe. Du hast keine Berufserfahrung – was willst du denn in deinen Lebenslauf schreiben? Dein Abschluss nützt dir gar nichts, nicht in unserem Alter. Du musst mit Scharen junger, ehrgeiziger, hochqualifizierter Leute konkurrieren, die bereit sind, umsonst zu arbeiten. Sie kennen sich mit den digitalen Medien aus, Milla, sie leben damit! Und die Wirtschaftskrise! Weißt du, wie viele Zeitschriften in Konkurs gegangen sind? Überall gilt Einstellungsstopp, Abbau von Arbeitsplätzen. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hättest du dir nicht aussuchen können. Sag Christo, du willst eine Boutique aufmachen. Oder ein Café. Als Journalistin arbeiten? Vergiss es!«
     
    (9. August 2009. Sonntag.)
    Sie saß auf ihrem neuen Sofa im Wohnzimmer. Vor ihr auf dem Wohnzimmertisch lag der Stellenteil der
Sunday Times
. Ängstlich wanderte ihr Blick über die Stellenanzeigen aus der Medienbranche – die Firmen suchten eCommerce Operations |32| Manager, WordPress /PHP Developer, Webdesigner und Web-Editoren (
Internet / Mobilerfahrung vorausges.
)
    Erneut wuchs ihre Beklemmung. Verzweiflung übermannte sie. Sie würde es nicht schaffen, sie würde nicht allein zurechtkommen. Die Freundin hatte recht. Und der Berater in der Arbeitsvermittlung hatte am Freitagnachmittag dasselbe gesagt, wenn auch politisch korrekter und mit Berufseuphemismen verbrämt: Sie hatte keine Chance.
    Sie wollte das nicht akzeptieren. Erst hatte sie die Zeitschriften angerufen, persönlich, eine nach der anderen. Bei ihren Lieblingszeitschriften angefangen bis hin zu den Tageszeitungen, sowohl den afrikaans- als auch den englischsprachigen Publikationen. Danach hatte sie es bei den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher