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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur
Autoren: Deon Meyer
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Auseinandersetzung geschafft. Dann hörte sie das rhythmische Klopfen seines wippenden Beins gegen die Theke und sah, wie er mit dem Deckel der Zuckerdose spielte. Da wusste sie, dass es noch nicht genug war. Er wollte auch noch Geld von ihr.
    »Mama, ich möchte nicht, dass Jacques und die anderen für mich bezahlen.«
    |12| Er wählte seine Worte derart mit Bedacht, steigerte seine Forderungen so geschickt, pirschte sich mit einer Strategie aus Anschuldigungen und Vorwürfen an sie heran. Er spinnt sein Netz planvoll wie ein Erwachsener, dachte sie. Er stellte seine Fallen auf, und sie tappte jedes Mal hinein, nur weil sie um jeden Preis Konflikte vermeiden wollte. Ihre Stimme verriet, dass sie bereits in die Defensive ging. »Hast du nichts mehr von deinem Taschengeld übrig?«
    »Willst du, dass ich wie ein Schmarotzer dastehe?«
    Das »Du« und die Aggressivität waren die Auslöser – sie ahnte das vertraute Streitmuster voraus. Sie sollte ihm einfach das Geld geben, ihr Portemonnaie in die Hand drücken und sagen: Hier! Nimm alles! So viel du willst!
    Sie atmete tief durch. »Ich möchte, dass du dir dein Taschengeld besser einteilst. Achthundert Rand im Monat sind doch wirklich …«
    »Weißt du, wie viel Jacques bekommt?«
    »Das spielt keine Rolle, Barend. Wenn du mehr haben möchtest, musst du …«
    »Willst du, dass ich alle meine Freunde verliere? Du gönnst mir auch überhaupt nichts, verdammte Scheiße!« Der Fluch und der Knall des Zuckerdosendeckels, den er gegen den Schrank warf, ließen sie zusammenzucken.
    »Barend«, sagte sie entsetzt. Schon oft war er explodiert, hatte die Hände in die Luft geworfen, vor sich hin geflucht und feige, knapp außer Hörweite, etwas unsagbar Ordinäres gemurmelt, doch diesmal nicht. Diesmal beugte er den Oberkörper über die Theke, das Gesicht vor Verachtung verzerrt, und sagte: »Du machst mich krank.«
    Sie wich zurück, als hätte er sie körperlich angegriffen, und musste sich am Schrank festhalten. Sie wollte nicht weinen, aber die Tränen liefen ihr übers Gesicht, dort am Ofen, mit dem Kochlöffel in der Hand, den Duft von warmem Olivenöl in der Nase. Wieder stammelte sie den Namen ihres Sohnes, beruhigend und sanft.
    |13| Voller Bosheit und Verachtung und in der vollen Absicht, sie zu verletzen, mit der Stimme, dem Tonfall und der demütigenden Art seines Vaters sank Barend zurück auf den Hocker und stieß hervor: »Mein Gott, bist du armselig. Kein Wunder, dass dein Mann mit anderen bumst.«
     
    Das Mitglied des Kontrollausschusses, ein Glas in der Hand, winkte Janina Mentz zu. Sie blieb stehen und wartete, bis der Mann sich zu ihr durchgedrängt hatte. »Frau Direktor«, begrüßte er sie, neigte sich zu ihr und näherte seinen Mund verschwörerisch dicht ihrem Ohr. »Haben Sie schon gehört?«
    Sie standen in der Mitte des Bankettsaals, umgeben von vierhundert Gästen. Sie schüttelte den Kopf, in Erwartung des Skandälchens der Woche.
    »Der Minister erwägt eine Fusion.«
    »Welcher Minister?«
    »Ihr Minister.«
    »Eine Fusion?«
    »Die Gründung einer Dachorganisation. Sie, der Nationale Nachrichtendienst NIA, der Geheimdienst, alle gemeinsam. Eine Vereinigung, eine Zusammenlegung. Allgemeine Integration.«
    Sie sah ihn an und untersuchte sein vom Alkohol gerötetes Vollmondgesicht auf Zeichen von Humor. Vergeblich.
    »Ach was«, sagte sie. Der war doch nicht mehr ganz nüchtern?
    »So geht das Gerücht. Ein ziemlich hartnäckiges.«
    »Wie viel haben Sie getrunken?«
    »Janina, das ist mein voller Ernst.«
    Sie wusste, dass er stets gut informiert war und man sich bisher immer auf ihn verlassen konnte. Wie gewohnt verbarg sie ihre Besorgnis. »Besagt das Gerücht auch, wann?«
    »Der offizielle Beschluss wird in drei, vier Wochen erwartet. Aber das ist noch nicht alles.«
    »Nein?«
    |14| »Der Präsident will Mo haben. Als Chef.«
    Sie sah ihn nur stirnrunzelnd an.
    »Mo Shaik«, präzisierte er.
    Sie lachte, kurz und skeptisch.
    »Man hört es immer wieder«, beharrte er voller Ernst.
    Sie lächelte und wollte ihn gerade nach seiner Quelle fragen, als das Handy in ihrer schwarzen Abendhandtasche klingelte. »Entschuldigen Sie«, sagte sie, öffnete die Handtasche, holte das Telefon heraus und sah, dass es der Anwalt war.
    »Tau?«, fragte sie.
    »Ismail Mohammed hat kalte Füße bekommen.«
     
    Milla lag in der Dunkelheit, auf der Seite, mit angezogenen Beinen. Nachdem sie sich ausgeweint hatte, musste sie widerwillig einigen
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