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Rot

Rot

Titel: Rot
Autoren: Taavi Soininvaara
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SPFi, der Zentrumspartei sowie ihrer Vorgängerin, der Agrarunion, und der konservativen Kokoomus, über den Zustand der Kommunistischen Partei Finnlands, über Jugendorganisationen, Gewerkschaften, andere Verbände, Volksbewegungen, Unternehmer und deren Einstellung und Verhältnis zur Sowjetunion. Auf der Grundlage dieser Berichte wurde dann in Moskau entschieden, Menschen zu diffamieren, die sich kritisch zur Sowjetunion geäußert hatten, oder Sympathisanten der Sowjetunion anzuwerben beziehungsweise zu belohnen. Die KPdSU nahm Einfluss auf fast alle wichtigen personellen Entscheidungen in Finnland. Das betraf sowohl die Wahl des Präsidenten und der Ministerpräsidenten als auch der Vorsitzenden von Freundschaftsgesellschaften und Sportorganisationen. Egal, welchen Vertreter der Sowjetunion finnische Politiker trafen, die KPdSU erhielt immer einen Bericht über das Gespräch.«
    Smirnow spürte jetzt, dass er Herr der Lage war. Er trank sein Glas in aller Ruhe aus und goss Wasser nach.
    »Wenn es in der Sowjetunion etwas gab, worauf man sich verstand, dann war es das Anfertigen von Berichten und Protokollen und das Verwalten von Archiven, geheimen wie öffentlichen. Die Berichterstattung erfolgte permanent und lückenlos. Im Archiv der KPdSU finden sich vollständige Listen der Teilnehmer an den Parteitagen der großen finnischen Parteien, Berichte über allewichtigen Angelegenheiten Finnlands und über Gespräche mit hunderten finnischen Politikern, führenden Vertretern der Wirtschaft, Beamten, Diplomaten, Professoren, Journalisten und anderen einflussreichen Leuten. Mir liegen auch Zusammenfassungen der Gespräche der finnischen Staatsführung mit Leonid Breschnew, Konstantin Tschernenko, Juri Andropow und Michail Gorbatschow vor. Eine Veröffentlichung dieser Unterlagen in ihrer Gesamtheit wird die berufliche Laufbahn zahlloser Personen in Ihrem Land zerstören. Dann beginnt endlich auch in Finnland die Aufarbeitung der Ereignisse während der Zeit des Bestehens der Sowjetunion.« Bei diesen Worten klopfte er wieder auf seine Tasche.
    »Ich bin heute hier in Helsinki, um Ihnen mitzuteilen, dass der Einfluss der Sowjetunion auf die Angelegenheiten Finnlands noch größer war, als es der Westen vermuten konnte. Mir ist bekannt, welche finnischen Politiker ohne Wissen ihrer Parteien mit Vertretern der KPdSU verhandelten, welche Geschäftsleute die Interessen der Sowjetunion vertraten. Und das absolut Wichtigste ist …« Er ordnete die Seiten seines Manuskripts, um die Spannung zu erhöhen. »Ich verfüge über Beweise, die zeigen, welche Finnen als Helfer des KGB arbeiteten und welche Honorare man ihnen zahlte. Und ich besitze die Belege für alle Geldsummen, die auf Anweisung der KPdSU nach Finnland überwiesen wurden.«
    Anatoli Smirnow genoss es, als er die Seufzer im Publikum hörte und die verblüfften Gesichter sah. Die armseligen Kerle fürchteten, demnächst könnten Köpfe rollen, und zwar ihre. Am liebsten hätte er ihnen gesagt, dass er nicht beabsichtigte, sein Material zu veröffentlichen, sondern nur alle in Kenntnis setzen wollte, dass es existierte. Auf diese Weise erinnerte die neue Kreml-Administration die Finnen daran, wer hier in Wirklichkeit die Macht ausübte.
    * * *
    Der rothaarige Mitarbeiter der SUPO-Überwachungsabteilung war leger, aber korrekt gekleidet, er trug eine dunkle Baumwollhose und ein hellblaues Hemd. Die schwarze Ledertasche auf seinem Schoß wurde vom langen hellbraunen Mantel verdeckt. Er saß im Foyer des Traditionsrestaurants Elite im Helsinkier Stadtteil Etutöölö. Als 17:09 Uhr ein Charterbus vorfuhr, erhob er sich. Alles war bereit.
    Er drückte die Zigarette aus und beobachtete unauffällig, wie der Direktor des Außenpolitischen Instituts die Tür zum Restaurant aufhielt, bis die ganze Gruppe aus dem Kleinbus das geräumige Foyer betreten hatte. Vor der Garderobe wurde es eng, als die Gäste – Beamte des Außenministeriums, ehemalige und aktive Politiker, kommunistische Funktionäre und Journalisten – dem Portier ihre Mäntel hinhielten. Der SUPO-Mann fand Anatoli Smirnow in der Menge und trat näher an ihn heran.
    Als Smirnow seine Tasche auf den Fußboden stellte, um den Mantel auszuziehen, bückte sich der SUPO-Mann blitzschnell und tauschte die Tasche des Russen gegen seine. Die des Russen versteckte er sofort unter seinem Mantel. Das Ganze erforderte nur ein paar rasch aufeinander folgende Bewegungen. Anatoli Smirnow hatte seine Tasche höchstens zehn
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