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Rot

Rot

Titel: Rot
Autoren: Taavi Soininvaara
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Demokratie zu setzen.
    Smirnow übergab den Behörden am 26. August 1991 den Großteil seiner Unterlagen und auch das Geld des Geheimfonds der Abteilung Internationale Beziehungen – 11,5 Millionen Dollar. Doch das Heft mit den Angaben zu den Zahlungen der KPdSU ins Ausland und die meisten Dokumente über Finnland behielt er.
    Mittlerweile, ein Jahr danach, hatte sich herausgestellt, dass es eine kluge Entscheidung gewesen war: Die Demokratie hatte auch in Russland den Kommunismus besiegt. Tausende alte Parteifunktionäre, Kollegen und Freunde, hatten am Kommunismus festgehalten und inzwischen ihre Arbeit verloren. Sie standen mit leeren Händen da, er hingegen leitete nun die Verwaltungsabteilung im Außenministerium der neu geschaffenen Russischen Föderation.
    Und er war auch vermögend, so reich, wie er es sich noch vor einem Jahr nicht einmal in seinen kühnsten Träumen erhofft hätte. Das war das Beste. In den Monaten nach dem Putsch der Kommunisten hatten alle versucht, die verworrene Lage in Russland auszunutzen und von dem unermesslich großen Eigentum der KPdSU zu profitieren, etwas für sich abzuzweigen, ihre Zukunft zu sichern. Er selbst hatte Informationen an den Journalisten Aleksander Jewlachow verkauft, der in der Wochenzeitschrift »Rossija« Artikel über die Parteifinanzen der KPdSU veröffentlichte.
    Smirnow war so in seine Erinnerungen vertieft, dass er aufschreckte, als der Direktor des Außenpolitischen Instituts im Hinterzimmer erschien und vor ihm stehen blieb. Jetzt war es soweit. Er konnte sich nicht entsinnen, wann er zuletzt vor einem öffentlichen Auftritt so aufgeregt gewesen war – vielleicht damals vor langer Zeit, als er das erste Mal an einer Versammlung teilgenommen hatte, die vom Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU geleitet wurde, von dem Mann, der über die halbe Weltherrschte. Smirnow ging zum Rednerpult, öffnete seine Tasche und nahm das Vortragsmanuskript heraus. Das Stimmengewirr verebbte. Er spürte die Angst des Publikums. Sie wussten genau, warum er hier war und was sich in seinem Besitz befand. In diesem Raum war der Kalte Krieg noch nicht zu Ende.
    Als er auf dem Rang des Auditoriums Ulf Sundquist und Paavo Lipponen erblickte, fasste er etwas mehr Mut.
    Im Jahre 1974, am Beginn ihrer Politikerkarriere, waren die beiden Finnen in Moskau auf dem Weltkongress der Friedenskräfte zu Gast gewesen, um die Beziehungen der Sozialdemokratischen Partei Finnlands zur KPdSU weiterzuentwickeln. Sundquist und Lipponen hatten die Rede Leonid Breschnews gelobt, sie habe bei ihnen einen »unauslöschlichen Eindruck hinterlassen«. Ihren Inhalt bezeichneten die jungen Politiker als »fundiertes Programm der friedliebenden Kräfte«.
    Anatoli Smirnow räusperte sich, begann mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln und kam dann in fließendem Finnisch zur Sache. »In meinem Besitz befindet sich eine große Anzahl als geheim deklarierter Dokumente über Finnland, darunter fast alle diesbezüglichen Geheimbeschlüsse der KPdSU aus den letzten Jahrzehnten. Leider darf ich sie nicht vorlegen, solange ich nicht weiß, welche Unterlagen aus dem Superarchiv der KPdSU in der nächsten Zeit für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Ich kann Ihnen jedoch eine kleine Kostprobe geben«, sagte Smirnow und klopfte auf seine Tasche. »Diese Dokumente werden den Finnen die Augen öffnen. Viele finnische Politiker und andere einflussreiche Persönlichkeiten werden gezwungen sein, ihre Posten aufzugeben, und manche werden sich für ihre Taten auch vor Gericht verantworten müssen. Zu erwarten sind Nachrichten, die einschlagen wie eine Bombe, Skandale und viel Aufruhr.« Smirnow las zunächst von seinem Manuskript ab, aber allmählich ließ die Anspannung nach. Er wurde lockerer und wagte schon, beim Sprechen Blickkontakt zu seinem Publikum aufzunehmen.
    »Helsinki war ein Labor, ein Versuchsfeld, auf dem die Sowjetunion in aller Ruhe testete, wie die westlichen Länder auf die verschiedenen Formen der indirekten Machtausübung reagierten. Die Sowjetunion hat die finnische Politik in der ganzen Zeit vom Krieg bis zu ihrem Zusammenbruch nach Belieben gesteuert. Finnland war wie eine Maus in den Krallen der Katze.«
    Er trank einen Schluck Wasser und fuhr fort: »Ich besitze zahlreiche Dokumente – es handelt sich um hunderte Seiten –, auf denen die Botschaft der Sowjetunion in der Helsinkier Tehtaankatu die KPdSU über Ereignisse in Finnland informiert: über Gespräche mit Politikern der
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