Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rot

Rot

Titel: Rot
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
1997

    »Wenn die USA ein Pearl Harbor im Weltraum vermeiden wollen, müssen sie die Möglichkeit eines Angriffs auf ihre Systeme im Weltraum ernst nehmen … Wer den USA gegenüber feindlich eingestellt ist, kann sich auf dem globalen Markt die Mittel beschaffen, um die US -Weltraumsysteme zu zerstören oder lahmzulegen, und unsere Satelliten oder deren Steuerungssysteme angreifen …«
    Bericht der US-Kommission zur Untersuchung
von Management und Organisation der nationalen Sicherheit
im Weltraum, 11. Januar 2001

»Ohne dass es irgendeine öffentliche Diskussion darüber gegeben hätte, hat das Pentagon schon Milliarden Dollar für die Entwicklung von Weltraumwaffen und für die Ausarbeitung von Plänen zu ihrer Anwendung ausgegeben.«
    Tim Weiner, The New York Times, 18. Mai 2005

PROLOG
Die Tasche
Helsinki, 21. Oktober 1992

Anatoli Smirnow war in Helsinki, um deutlich zu machen, dass die neue Russische Föderation Finnland genauso fest im Würgegriff hatte wie früher die Sowjetunion. Das würde er den finnischen Machthabern in seinem Vortrag klar vor Augen führen. Er saß in einem kleinen Raum hinter dem Vorlesungssaal des Finnischen Außenpolitischen Instituts in Punavuori. Auf seinem Schoß lag eine Tasche mit Kopien geheimer Dokumente aus dem Archiv der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die alle Finnland betrafen. Smirnow fühlte sich wie jemand, der als nächster vor das Hinrichtungskommando treten musste. Er hatte schweißige Hände und einen Kloß im Hals, obwohl er ständig schluckte; sein Herz hämmerte, er war gezwungen, die Krawatte zu lockern.
    So richtig konnte er immer noch nicht begreifen, wie es zu all dem gekommen war. Angefangen hatte es 1976. Damals war er, ein junger Sportler mit einer Ingenieurausbildung, für die Arbeit in der Abteilung Internationale Beziehungen des Leningrader Gebietskomitees der KPdSU angeworben worden, und hatte dann bisweilen mit Finnland und Finnen zu tun gehabt. Im Januar 1987 wurden die finnischen Angelegenheiten endgültig sein Hauptbetätigungsfeld, man ernannte ihn zum Sachbearbeiter im legendären »Finnland-Zimmer« der Abteilung Internationale Beziehungen des Zentralkomitees der KPdSU. Dort freundete er sich schnell mit seinem Vorgesetzten an, dem altgedienten Funktionär Iwan Rosdoroschny.
    Als Rosdoroschny 1988 pensioniert wurde, überließ er ihm Kopien von Geheimdokumenten zu Finnland aus dem Archiv derKPdSU. Aufgeschreckt durch deren brisanten Inhalt beschaffte sich Smirnow nun aus verschiedenen Quellen weiteres Geheimmaterial über Finnland. Nach seiner Berufung zum Leiter des Sekretariats der Abteilung Internationale Beziehungen der KPdSU im Jahre 1990 landete auf seinem Schreibtisch eine beträchtliche Anzahl geheimer Unterlagen, noch mehr als seinerzeit im Finnland-Zimmer.
    Der fehlgeschlagene Putschversuch der Altkommunisten vom 19. bis 21. August 1991 änderte schließlich alles, sowohl in der Sowjetunion als auch in Anatoli Smirnows Leben. Am 23. August gelangte ein Heft in seine Hände, das vorschriftswidrig in der Abteilung Internationale Beziehungen aufbewahrt worden war. Das Heft enthielt alle Informationen über die Zahlungen der KPdSU an Bruderparteien weltweit, auch an die finnischen Kommunisten. In dem Chaos durch den Putschversuch brachte er noch mehr geheimes Material über Finnland an sich.
    Am 26. August stand Smirnow plötzlich mit dem Rücken zur Wand: Der Chef der Abteilung Internationale Beziehungen, Valentin Falin, befahl ihm, alle Dokumente zu vernichten, die bewiesen, dass die KPdSU ihren Bruderparteien, ihren Helfern, Agenten und ebenso Politikern und anderen einflussreichen Personen, die der Sowjetunion wohlgesonnen waren und über erhebliche Macht verfügten, viele Millionen Dollar gezahlt hatte. Mit besonderem Eifer hatte man Geld nach Finnland gepumpt, jedes Jahr flossen Millionen Finnmark sowohl an Politiker und Parteien als auch an Privatpersonen.
    Sollte er die Wahrheit vertuschen oder aufdecken? Man zwang ihn, eine Entscheidung zu treffen, die Unmögliches von ihm verlangte. Der Befehl Falins, das Heft zu vernichten, kam vierundzwanzig Stunden nach Präsident Boris Jelzins Erlass über die vorübergehende Beschlagnahmung des Eigentums und des Archivs der KPdSU. Falins Order verstieß demzufolge gegen Jelzins Ukas. Smirnow musste sich also auch für eine Seite entscheiden: für dieKommunisten der alten Macht oder die reformgesinnten neuen Machthaber. Er beschloss, die Kommunisten zu verraten und auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher