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Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Titel: Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Autoren: Jürgen Seibold
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abends als Streife hier hin fährt – und meistens gleich einen betrunkenen Autofahrer mit nehmen kann«, brummte Kerricht. »Aber bleibt bitte mal schön auf eurer Schongauer Seite, ja? Ich hatte heute Stammtisch im Lechstüberl, da müsst ihr nicht unbedingt meine Kumpels kontrollieren.«
    »Ach, dann blas doch du gleich mal«, rief Wöhr von der anderen Straßenseite herüber und lachte. »Du bist ja jetzt auf der Schongauer Seite!«
    Mit gespieltem Schreck machte Kerricht einen Satz zurück neben das Lechbrucker Ortsschild.
    »Glaubst du, ich setz mich heut noch ans Steuer?«
    Er tippte sich an die Stirn, drehte sich um und ging über die Brücke davon.

Freitag, 7. Juni
    Als Kerricht völlig übermüdet die Frühschicht antrat, rief er die Berichte der vorigen Nacht auf: Semmler hatte seinen Anruf tatsächlich nicht vermerkt, und auch der Bericht von der Streifenfahrt enthielt nichts, was auf die nächtliche Suche an der Lechbrücke hingedeutet hätte. Abt und Rothart hatten auf ihrer Weiterfahrt direkt nach dem Ortsausgang Lechbruck einen Wagen im Straßengraben bemerkt – mit offener Fahrertür und noch warmem Motor. Der Fahrer war einfach zu Fuß weitergegangen, und keine hundert Meter vom Wagen entfernt hatten sie ihn eingeholt und gleich zur Blutprobe mitgenommen.
    Gegen halb acht wählte er die Handynummer von Hardy Koller, dem stellvertretenden Kripochef, mit dem er seit der Zusammenarbeit in einem vertrackten Fall recht vertraut war. Ihm erzählte er noch einmal die Geschichte vom betrunkenen Pröbstl und dem Mord, den er beobachtet haben wollte, zu dem es aber keine Spuren und vor allem keine Leiche gab. Er erzählte ihm auch von der inoffiziellen Suche in der vergangenen Nacht – und wie er selbst per Telefon von Ruffs Frau erfahren hatte, dass ihr Mann während der ganzen Aufregung seelenruhig daheim lag und schlief.
    Hinterher war Kerricht beruhigt. Nun wusste es die Kripo auch, und er hatte sich einem Kollegen anvertrauen können, der ihm notfalls Ärger vom Hals halten konnte. Nur eines wunderte ihn im Nachhinein: Koller hatte sehr erfreut geklungen, als Kerricht mit der Geschichte fertig gewesen war, und hatte ihn fast fröhlich verabschiedet – dabei konnte er sich nicht recht vorstellen, was an dieser etwas heiklen Geschichte so amüsant sein sollte. Doch dann wurde ein schwerer Verkehrsunfall bei Hopfen gemeldet, und Kerricht machte sich, so schnell er konnte, mit einem Kollegen auf den Weg.
    Knapp zehn Minuten später hatte Koller mit allen telefoniert, und bis auf Sabine Altmahr, die sich noch immer zierte, aber schließlich einwilligte, ebenfalls mitzuspielen, waren die Kollegen sofort mit der nötigen Schadenfreude bei der Sache.
    Koller versprach, sie alle auf dem Laufenden zu halten, weil sie ja sonst von zu Hause nichts mitbekommen hätten.
    Dann wählte er eine Durchwahlnummer in der Kripoinspektion Kempten.
    »Guten Morgen, Frau Schwegelin.«
    Hansen hatte kurz angeklopft und gleich danach die Tür zu Huthmachers Vorzimmer aufgedrückt. Rosemarie Schwegelin saß am Computer, eine dampfende Kaffeetasse auf der einen und einen Block mit handschriftlichen Notizen auf der anderen Seite der Tastatur.
    »Sagen Sie mal: Ist denn heute überhaupt jemand gekommen?«
    Er hielt die Mappe mit den Krank- und Freimeldungen hoch, die sie ihm gleich zu Dienstbeginn ins Büro gebracht hatte, und ließ sie auf den Schreibtisch klatschen.
    »Na ja«, meinte Rosemarie Schwegelin, »die Kollegen müssen halt irgendwann mal ihre Überstunden nehmen. Und wenn einen die Erkältung erwischt … was will man machen.« Sie fischte ein paar Unterlagen aus ihrem Eingangskorb.
    »Wenigstens haben wir gerade keinen Mordfall auf dem Tisch.«
    »Das stimmt leider nicht ganz, Herr Hansen.«
    Erst jetzt bemerkte er die schmale Akte, die sie in der Hand hielt. »Was ist das?«
    »Kam heute Nacht rein, ein Mann soll in Lechbruck von der Brücke gestoßen worden sein.«
    »Was heißt das: soll gestoßen worden sein?«
    Er ließ sich den Aktendeckel geben und nahm das einzige Blatt heraus, das sich darin befand. Die Meldung sah nicht sehr offiziell aus, vor allem hätte er sie eher im Intranet erwartet, und als Absender wäre die zuständige Polizeiinspektion Füssen üblich gewesen.
    »Wo kommt das her?«, fragte er.
    »Das hab ich vorhin getippt, ich wollt’s Ihnen gleich rüberbringen.«
    »Aha?«
    »Na ja«, druckste sie herum und war sich im Moment nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, sich von
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