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Romeo und Jabulile

Romeo und Jabulile

Titel: Romeo und Jabulile
Autoren: Lutz van Dijk
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für ihn in Sicherheit bringen kann.
    Schon am nächsten Tag mache ich mich allein auf den Weg. Lonwabo bietet mir seine Hilfe an, aber ich lehne ab. Als ich dort ankomme, sehe ich, dass die Tür offen steht und alles leer ist.
    »Der wohnt da nicht mehr!«, ruft mir einer der Bauarbeiter zu. Wie betäubt gehe ich zurück und lege mich wieder aufs Bett.
    Die nächsten zwei Wochen esse ich kaum etwas und trinke nur, wenn Makhulu mich darum bittet. Romeo fehlt mir so sehr.
    Unathi erschrickt, als sie mich besucht. »Mensch, bist du dünn geworden!« Hunger macht mir nur wenig aus. Romeo hat Jahre hungern müssen, bevor er aus der einen Not in eine andere geflohen ist. »Wir fahren nachher mit Pastor Khanya nach Soetwater , um noch mehr Kleidung und Medikamente hinzubringen. Einige Familien sind bereit, mit uns zurückzukehren, vor allem dort, wo Nachbarn ihnen ihren persönlichen Schutz zugesagt haben. Romeos Mutter und Tante sind noch im Lager.«
    »Ich komme mit«, sage ich zu ihr und ziehe mir meine wärmsten Sachen über.
    Es ist ein regnerischer Tag. Ein eiskalter Sturm fegt über die kleine Zeltstadt direkt an der felsigen Küste. Ein paar Kinder heulen. Mehrere Freiwillige verteilen Brot von einem Lastwagen.
    Pastor Khanya weiß, in welchem Zelt die drei Frauen aus Simbabwe untergebracht sind. Die Zeltplane knattert im Sturm, als er durch eine Öffnung vorangeht. Innen riecht alles feucht und muffig. Frauen und eine Anzahl Kinder sitzen auf wackligen Feldbetten, haben mehrere Kleidungsstücke übereinandergezogen. Es ist still in dem großen Zelt, obwohl hier gut vierzig Menschen untergebracht sind. Ich kann kein vertrautes Gesicht entdecken.
    »Da sind sie«, sagt Pastor Khanya zu mir und zeigt auf zwei Frauen, die auf einem Stück Plastik im nassen Gras neben einer anderen sitzen, die im Bett unter einer Decke liegt. Als wir näher kommen, erkenne ich Romeos Mutter, obwohl sie bis zur Nase zugedeckt ist. Auch sie nimmt mich sofort wahr. »Jabu, wie schön, dass du gekommen bist!«
    Sie hat Fieber, redet aber mit fester Stimme: »Du warst immer gut zu uns.«
    Wir geben den drei Frauen eines der mitgebrachten Nahrungspakete. Dann kann ich nicht länger warten. »Wissen Sie, was mit Romeo ist?«
    Die Mutter schaut zur Tante und dann wieder zu mir, bevor sie antwortet: »Erst heute Morgen hat uns die Nachricht erreicht von einem Mann, der aus einem anderen Flüchtlingslager hierherverlegt wurde. Angeblich gibt es dort einen Jungen, der Romeo heißt und unbedingt auch zu uns kommen will. Aber es ist ja noch ein solches Chaos überall, und deshalb werden derzeit noch kaum Ausnahmen gemacht.«
    Mein Herz klopft wie wild vor Aufregung: »Und haben Sie gefragt, ob der Junge hinkt?«
    Frau Chimara lächelt zum ersten Mal trotz des hohen Fiebers: »Was denkst du denn? Das war meine erste Frage! Ja, Jabu, ja, der Mann sagte, der Junge würde hinken.« Sie zieht mich ganz dicht zu sich heran, und wir umarmen uns, ohne auf das Fieber Rücksicht zu nehmen. Ich spüre, dass ihr Körper vom Weinen leicht bebt.
    Ganz leise flüstert sie in mein Ohr: »Sobald ich aufstehen kann, fahren wir dorthin, einverstanden?«
    Ich richte mich nur langsam auf. »Wir fahren bald zu Romeo, ja, Pastor?«
    Pastor Khanya nickt.
    Als wir das Zelt verlassen, sind die Freiwilligen noch immer beschäftigt, Brote zu verteilen. Einer von ihnen ist Lonwabo.
    Er hat mich bis jetzt gar nicht gesehen. Ich zögere erst noch, aber dann gehe ich langsam über den matschigen Rasen auf ihn zu.

Glossar

    Aids Immunschwächekrankheit, die durch das HI-Virus (HIV) vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen werden kann. Sie macht den Menschen anfällig für alle möglichen ansteckenden Krankheiten (wie Grippe, Durchfall oder Lungenentzündung). Ein gesunder Körper kann diese Krankheiten abwehren, bei einem durch HIV geschwächten Körper können sie jedoch zum Tod führen. Aids ist die Abkürzung für: aquired immune deficiency syndrome (= erworbenes Immunschwächesyndrom). Der bislang einzig mögliche Schutz vor dem HI-Virus beim Sex ist der Gebrauch von Kondomen.
    Afrikaans Eine der elf offiziellen Landessprachen in Südafrika, vor allem gesprochen von Farbigen und niederländischstämmigen Weißen.
    ART Antiretroviral-Therapie (ART) sind Medikamente, die verhindern, dass sich das Aids verursachende HI-Virus (HIV) im Körper ausbreiten kann, und dadurch das Leben verlängern können. ART kann Aids nicht heilen. Wer einmal mit der Therapie begonnen hat, muss
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