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Romeo und Jabulile

Romeo und Jabulile

Titel: Romeo und Jabulile
Autoren: Lutz van Dijk
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redest, Junge! Wir sind immerhin eine Familie.«
    Lonwabo wirft mir einen hasserfüllten Blick zu, den ich ebenso erwidere. Dann gehen wir gemeinsam wie jeden Sonntag zu Pastor Khanyas Gottesdienst. Den Weg zur Kirche legen wir schweigend zurück.
    Bevor wir das Gotteshaus betreten, trifft Vater einen früheren Nachbarn von uns, mit dem er eine Unterhaltung anfängt. Als wir endlich hineingehen, sehe ich Unathi mit ihrer Mutter ziemlich weit vorn sitzen. Die Kirche ist schon gefüllt, sodass ich ihr nicht viel näher kommen kann. Wir nicken einander nur zu.
    Der Gottesdienst beginnt mit dröhnender Orgelmusik. Dann übernimmt der Gospelchor die Musik, in die alle einstimmen. Pastor Khanyas Frau leitet ih n – es ist der beste Chor, den wir je hatten in Masi. Die Predigt ist leider so lang, dass ich irgendwann nicht mehr richtig zuhöre, obwohl Pastor Khanya viel weniger langweilig ist als der ältere zweite Pastor unserer Gemeinde.
    Immer wieder denke ich nur: Wie kann ich Romeo warnen? Wo ist er sicher, bis sich die Wut meines Bruders gelegt hat? Schließlich kennt er Romeo überhaupt nicht. Wenn Vater und Lonwabo mir nur ein Mal erlauben würden, ihn mit nach Hause zu bringen, dann würden sie sehen, wie in Ordnung er ist. Makhulu wird bestimmt auf meiner Seite sein, wenn sie erst von der Trauerfeier zurück ist.
    Wie meist treffen sich auch heute alle vom Mädchen-Fußballteam nach dem Gottesdienst noch mit Pastor Khanya, sobald er die anderen Gemeindemitglieder verabschiedet hat. Unathi hat mir versprochen, diesmal ebenfalls zu kommen, auch wenn sie nicht zum Team gehört. Aber es ist die einzige Möglichkeit, unauffällig miteinander zu reden.
    Als wir die Kirche verlassen, zischt Lonwabo mir drohend zu: »Danach kommst du sofort nach Hause, verstanden? Ich behalte dich im Aug e …«
    Für die anderen Mädchen ist es ein normaler Sonntagmittag. Sie schnattern fröhlich durcheinander. Ein paar zeigen, was sie letzte Woche gekauft oder geschenkt bekommen haben. Außerdem werden natürlich alle wichtigen Fußballspiele diskutiert, die im Fernsehen liefen. Früher war ich genauso. Heute ist alles anders.
    Endlich kommt Unathi. »Wo bleibst du denn?«, flüstere ich ihr ungeduldig zu.
    »Ich musste erst meine Mutter loswerden«, entschuldigt sie sich. »Auch ihr ist aufgefallen, dass du nicht mehr so viel bei uns bist. ›Habt ihr euch gestritten?‹, wollte sie wissen. Seit dem Auftritt deines Bruders bei uns hat sie natürlich Verdacht geschöpft. Aber ich habe sie beruhigt, dass alles okay ist.«
    »Na ja, nicht wirklich«, antworte ich. »Ich brauche dich, Unathi, jetzt! Du musst unbedingt Romeo warnen. Vielleicht kann er eine Weile bei einer anderen Abteilung der Baufirma in Kapstadt arbeiten. Mein Bruder wird mich vorerst nicht aus den Augen lassen. Und ich will um alles in der Welt verhindern, dass er seine Drohung gegenüber Romeo wahr machen kann.«
    »Aber wie finde ich ihn? Und wieso sollte er mir glauben? Er kennt mich ja gar nicht«, gibt Unathi zu bedenken.
    »Du weißt doch, wo seine Mutter und seine Tante wohnen, nicht? Zu ihnen geht er heute, weil sein Geburtstag gefeiert werden soll. Bitte gib der Mutter einen Brief und sage ihr, er ist von mir. Sie erinnert sich vielleicht an meinen Namen. Abe r – bitt e – gehe nur dorthin, wenn du dir ganz sicher bist, dass dir niemand folgt!«
    »Gut«, stimmt Unathi zu. »Das schaffe ich.«
    »Dann brauchst du ihn auch gar nicht selbst zu treffen. Er kennt meine Schrift. Du musst nur sagen, dass es sehr, sehr dringend ist. Nicht, dass sie den Brief irgendwo als Überraschung liegen lassen und ihm erst später geben. Er muss ihn sofort bekommen, wenn er bei seiner Mutter eintrifft. Kapiert?«
    »Kapiert!« Wieder nickt Unathi. »Mache ich. Wo ist der Brief?«
    Wenn ich Unathi nicht hätte!
    Die anderen haben schon angefangen, mit Pastor Khanya im Gruppenraum die Wochenplanung für die drei nächsten Trainingsabende zu besprechen, während ich noch mit Unathi flüsternd im Flur stand.
    Unathi wartet im Türrahmen. Ich gehe direkt zu Pastor Khanya und frage ihn leise: »Können Sie mir bitte ein Blatt Papier, einen Stift und einen Briefumschlag geben? Bitte, Pastor, es geht um Leben und Tod!«
    Er lächelt mich wohlmeinend an. »Du bist verliebt, was?«, meint er ahnungslos.
    »Ja, auc h …«, antworte ich ehrlich.
    Er schmunzelt und bittet die anderen Mädchen, weiter an den Trainingsplänen zu arbeiten. Unterdessen geht er mit Unathi und mir schnell zu
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