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Romeo und Jabulile

Romeo und Jabulile

Titel: Romeo und Jabulile
Autoren: Lutz van Dijk
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uralter Mann, der am Boden lag und kein Lebenszeichen mehr von sich gab.«
    Ohne Luft zu holen, hat er von der Flucht berichtet. Offensichtlich erleichtert es ihn, dass er sich all die erlebten Schrecken endlich einmal von der Seele reden kann.
    »Und was ist aus denen geworden, die kein Geld oder sonst was zum Tauschen mehr hatten?«
    Er zuckt mit den Schultern.
    Dann bleibt er ganz lange still. Es ist, als hätte ihn jemand geschlagen. Er sitzt mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern vor mir. Ich mag nicht mehr auf dem Stuhl wie auf einem Thron hocken. Leise erhebe ich mich und setze mich neben ihn auf den Erdboden.
    Als er nicht reagiert, lehne ich mich mit dem Rücken gegen eine mit Zeitungspapier beklebte Wellblechwand und achte darauf, ihn nicht zu berühren. Dabei gibt es kaum genug Platz, um überhaupt nebeneinander auf dem Boden zu sitzen.
    Ganz lange hocken wir so nebeneinander. Obwohl wir kein Wort sagen, sind wir uns doch nah. Nicht nur räumlich. Irgendwann legt er seine linke Hand sanft auf meine rechte. Mir ist, als könnte ich seinen Puls, sein Herz durch die warme Hand auf meiner fühlen.
    Langsam, ganz langsam lehnt er seinen Körper gegen meinen. Wir umarmen uns wie Kinder. So vorsichtig, als könnte etwas zerbrechen. Obwohl er so dünn ist, spüre ich doch, wie stark er ist. Viel stärker, als ich vermutet hätte.
    Irgendwann fällt mir ein, dass ich tatsächlich niemandem gesagt habe, wo ich bin, und Lonwabo und Vater vermutlich längst daheim sind und sich Sorgen um mich machen.
    Erst jetzt sehe ich, dass ein kleiner, roter Plastikwecker neben seiner Matratze auf dem Boden steht. Die Leuchtzeiger stehen auf ein Uhr. Erschrocken springe ich auf.
    »So spät komme ich sonst nie nach Haus e – oh Mann, das wird Ärger gebe n …«
    Er begleitet mich noch bis zu unserer Township-Mauer. Inzwischen weiß ich selbst, wie ich die Zementplatte verschieben muss.
    »Wirst du wiederkommen?«, fragt er, jetzt wieder flüsternd.
    Ich nicke und will schon loslaufen. Da halte ich noch mal inne, drehe mich u m – und küsse ihn auf den Mund.
    »Ja!«, rufe ich dan n – ganz laut, als würde es mir gar nichts mehr ausmachen, selbst wenn mich ganz Masi hört.
    So lasse ich ihn stehen und laufe am Schulgelände entlang und die wenigen dunklen Straßen bis zu uns nach Hause. Vater ist noch auf, hat aber bereits so viel Umqomboti getrunken, dass ihm gar nicht auffällt, wie spät es schon ist. Und Lonwabo ist selbst noch nicht daheim, sondern hängt irgendwo anders mit seinen Freunden herum. Ich habe Glück gehabt.
    »Unathi hat gut gesungen«, lallt Vater freundlich.
    »Ja«, stimme ich ihm zu. »Das hat si e …«
    Dann kleide ich mich aus und schlüpfe unter eine leichte Decke. Die Nacht ist noch immer warm. Ich kann an nichts anderes denken als an ihn.
    Was für ein Abend. Was für ein besonderer Junge.
    Erst kurz vorm Einschlafen fällt mir ein, dass ich ihn noch gar nicht nach seinem Namen gefragt habe.

Der Geburtstag – Umhla Wokuzalwa

    Seit ich seinen Namen weiß und wie alt er ist, habe ich auch den Mut, nach seiner Mutter zu fragen. Ich mag Romeo, und ehrlich gesagt hätte ich ihn auf älter als vierzehn geschätzt.
    »Wollen wir sie nicht einmal besuchen?«, frage ich ihn neugierig.
    Aber Romeo wehrt lange ab: »Es ist nicht gut, wenn uns andere Leute auf der Straße zusammen sehen. Ich habe Ma auch bisher nichts von uns erzählt.«
    Ich muss zugeben, dass ich auch Vater und Lonwabo noch nicht anvertraut habe, wohin ich mindestens dreimal in der Woche nach dem Training gehe. Nur Unathi hat längst etwas gemerkt, weil ich früher nach dem Fußball meist noch bei ihr zum Musikhören war.
    Und wir haben uns noch nie angelogen.
    »Du hast einen Typ, nicht?«, fragt sie mich schon in der ersten Woche nach Ostern.
    Ich nicke, sage aber zuerst nichts weiter.
    »Los, erzähl doch schon!«, drängt sie mich und versetzt mir lachend einen Stoß in die Seite. »Sieht er so scharf aus, dass es sonst niemand wissen darf?«
    »Es is t …«, beginne ich und breche wieder ab. »Es ist nicht so einfac h …«
    Aber natürlich mache ich Unathi damit nur neugierig. Jetzt will sie es erst recht wissen.
    Und so erfährt sie schließlich die ganze Wahrheit. Am Ende ist sie selbst still und begreift mein Zögern. »Mann, Jabu, das ist ja ein Hamme r … Ein Junge aus SIM. Weiß es Lonwabo schon?«
    Ich schüttle den Kopf.
    Unathi versteht mich aber wenigstens hundertprozentig. »Er muss schon ziemlich klasse sein,
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