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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Großmutter erzählen. Willst du eine Arbeit?
    – Was für eine Arbeit?
    – Antworte mit ja oder nein.
    Der Junge zitterte am ganzen Körper. Libanese hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken.
    – Wie heißt du?
    – Lorenzo.
    – Du kommst mir vor wie eine Maus, eine ängstliche Maus … wirklich wie eine Maus … also: ja oder nein?
    – Ja.
    – Das ist die richtige Antwort. Du bist angeheuert, Maus. Fürs Erste fährst du nach Florenz – und kein Schuss, bis ich es dir erlaube. Du brauchst nur ein paar Anrufe zu erledigen.
    Auch Freddo kam im Morgengrauen nach Hause. Gigio wartete auf der Schwelle auf ihn, blau vor Kälte.
    – Was machst du hier?
    – Ich gehe nicht mehr nach Hause.
    – Hat Vater dich wieder verprügelt?
    Gigio schüttelte den Kopf.
    – Was dann?
    – Mir reicht’s! Die Schule ist eine Katastrophe und nie habe ich eine Lira in der Tasche. Lass mich für dich arbeiten. Bitte …
    Gigio war sechs Jahre jünger als er. Aufgrund einer Kinderlähmung hatte er ein steifes Bein, und auch im Kopf war er ein wenig zurückgeblieben. Freddo spürte eine merkwürdige Zuneigung zu seinem vom Unglück verfolgten Bruder. Ein anderes Leben, warum nicht? Wo steht geschrieben, dass man sich mit seinem Schicksal abfinden muss? In einem seiner seltenen Tagträume hatte er sich sogar als Arzt gesehen. Er kramte in seinen Taschen und gab ihm einen Hunderttausender.
    – Geh jetzt nach Hause, zieh dich um und ab in die Schule. Oder ich hau dir eine in die Fresse. Klar?
    Gigio zog den Kopf ein. Er gehorchte, wie immer. Und er war ausgeschlossen, wie immer. Als er wieder allein war, warf Freddo sich aufs Bett, ohne auch nur die Stiefeletten auszuziehen.
IV.
    Polizeibericht über die Entführung mit erpresserischer Absicht zu Schaden des Barons Valdemaro Rosellini (verfasst von Kommissar Nicola Scialoja)
.
    Das Untersuchungsergebnis im vorliegenden Fall lautet folgendermaßen: Zum Zeitpunkt der Entführung war Baron Rosellini mit seinem Privatauto, einem braunen Mercedes Turbodiesel, unterwegs. Das Verbrechen wurde in der Nähe der Via del Casale di San Nicola in der Ortschaft La Storta begangen. Das Opfer wurde von zwei anderen Autos gezwungen, mitten auf der Straße und quer zur Fahrtrichtung stehen zu bleiben. Der Aussage des Zeugen Oscar Marussi zufolge, der von seinem eigenen Auto aus, einem Fiat 131, die Entführung beobachtete, handelte es sich um einen Citroën DS 21 und eine blaue Alfetta 1750. Weiters gab Marussi zu Protokoll, dass die beiden Autos den Mercedes des Barons von beiden Seiten in die Zange nahmen und ihn nötigten stehen zu bleiben. Daraufhin stiegen vier Personen aus der Alfetta aus, packten das Opfer, zerrten es zum Citroën und zwangen es einzusteigen. Das Auto fuhr sofort in Richtung Rom los, während die vier Verbrecher, nachdem sie Marussi bedroht hatten, ebenfalls losfuhren, drei an Bord der Alfetta, der vierte im Mercedes des Barons. Dieser wurde am Tag darauf in der Via Cristoforo Colombo auf der Höhe von Nr. 459 gefunden.
    Die Telefongespräche mit der Familie des Entführten wurden von einem Ort außerhalb Lazios geführt, um die von der Telefongesellschaft SIP bereitgestellte Fangschaltung zu umgehen.
    Aus den Tonbandaufnahmen der Polizeibeamten, die die Telefonate mithörten, geht hervor, dass der Anrufer eine Person männlichen Geschlechts ist, im Alter von nicht mehr als fünfundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren, über keinen speziellen Akzent verfügt und auch keine regionalen Akzente vortäuscht.
    Die Familie erhielt an der Zahl fünf Schreiben, in denen sie aufgefordert wurde, Lösegeld zu zahlen. Die Briefe waren Collagen aus Ausschnitten verbreiteter römischer Zeitungen (aus
Il Messaggero
und
Paese Sera
, in einem Fall aus dem
Secolo d’Italia
, einer Zeitung der extremen Rechten).
    In den Anrufen wurde ursprünglich ein Lösegeld von zehn Milliarden Lire gefordert, das später auf sieben und schließlich auf drei Milliarden reduziert wurde. Aus den Aussagen der Freunde und Verwandten des Barons geht hervor, dass letztendlich ein Lösegeld in dieser Höhe bezahlt wurde.
    Die erste Botschaft wurde am 29. Dezember 1977 in der Nähe der Piazza Cavour hinterlegt. Sie enthielt drei Polaroidfotos, auf denen der Entführte mit einer Ausgabe des
Messaggero
zu sehen ist.
    Am 2. Januar wurde um 16 Uhr ein Treffen in der Bar
Cubana
vereinbart, wo der Sohn des Entführten, Alessandro, vergeblich auf einen Anruf wartete; dieser erfolgte erst, als er die Bar bereits verlassen
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