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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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hatte er noch bis zum Abflug? Eine Stunde? Etwas mehr? Das Mädchen konnte in ein paar Minuten da sein. Er würde sein Geld zurückbekommen. Venezuela wartete auf ihn. Es würde schwierig sein, Fuß zu fassen, aber ... so schwierig nun auch wieder nicht. Es wäre klug gewesen, jetzt einzulenken. Aber wann war er schon klug gewesen? Wann waren
sie
jemals klug gewesen? Außerdem, die Angst des Kleinen ... der Geruch der Straße ... waren es nicht Augenblicke wie dieser gewesen, für die sie gelebt hatten?
    Er beugte sich über den Kleinen und flüsterte ihm seinen Namen ins Ohr. Der Kleine begann zu zittern.
    – Hast du schon mal was von mir gehört?, fragte er ihn freundlich.
    Der Kleine nickte. Er lächelte. Vorsichtig legte er ihm den Lauf an die Stirn und schoss ihm zwischen die Augen. Ohne sich um das Geheule, die Schritte, die näherkommenden Sirenen zu kümmern, drehte er sich um, zielte mit der Waffe auf den Mond und schrie, so laut er konnte:
    – Ich war einer von Libanese!

Erster Teil

1977/78
Der Beginn
I.
    Dandi war dort zur Welt gekommen, wo Rom noch den Römern gehört: in Tor di Nona.
    Mit zwölf hatte er ins Infernetto-Viertel ziehen müssen. Auf der Verfügung des Bürgermeisters stand „Revitalisierung der gefährdeten Bausubstanz im historischen Zentrum“. Die Sache war nun schon eine Ewigkeit her, aber Dandi sagte noch immer, irgendwann würde er ins Zentrum zurückkehren. Als Chef. Und alle müssten sich verneigen, wenn er vorüberginge.
    Im Augenblick wohnte er mit seiner Frau auf zwei Zimmern mit Blick auf den Gasometer.
    Libanese kam zu Fuß vom Testaccio. Das war nicht weit, aber es war August und er schwitzte so sehr, dass das Hemd auf der behaarten Brust klebte. Mit jedem Schritt wuchs seine Wut auf den Jungen.
    Mit schläfrigem Blick öffnete Dandi die Tür. Er trug einen getupften roten Schlafmantel. Rein zufällig hatte er einmal ein Buch über Lord Brummel gelesen. Von da an nannten ihn alle Dandi, weil er um jeden Preis elegant sein wollte.
    – Ich brauche das Motorrad.
    – Leise, Gina schläft. Was ist los?
    – Sie haben mir den Mini gestohlen.
    – Na und?
    – Mit der Tasche drin.
    – Na, dann los.
    Auf der Kawasaki war der Schirokko sogar angenehm. Sie fuhren bis zum Pumpwerk im Magliana-Viertel, parkten vor einem Geschäft mit verrosteten Rollläden und gingen über die Halde. Die Baracke befand sich zwischen einem Abfallhaufen und einem Eisenlager. Verriegelte Tür, kein Licht.
    – Er ist noch nicht da, sagte Libanese.
    – Wer er?
    – Der Junge. Der Neffe von Franco, dem Barmann.
    Dandi nickte. Sie setzten sich auf einen hohlen alten Baumstamm. Dandi zog einen Joint aus der Tasche. Libanese machte zwei Züge und gab ihn zurück. Das war nicht der richtige Augenblick, um sich zu bekiffen. Eine Zeitlang schwiegen sie. Dandi schloss die Augen und entspannte sich.
    – Wir verlieren Zeit, sagte Libanese.
    – Irgendwann wird der Wichser ja nach Hause kommen.
    – Darum geht es nicht. Ich meine überhaupt. Wir verlieren Zeit.
    Dandi schlug wieder die Augen auf. Sein Freund war nervös.
    Libanese war klein, dunkel und kräftig gebaut. Er war in San Cosimato, mitten in Trastevere, zur Welt gekommen, aber seine Familie stammte aus Kalabrien. Sie kannten sich schon ewig. Als Kinder hatten sie eine Bande gegründet, jetzt waren sie eine Gang.
    – Ich spreche vom Baron, Dandi.
    – Darüber haben wir uns doch schon x-mal unterhalten, Libano. So was ist kein Kinderspiel. Wir sind zu wenige. Für so was ist Terribile zuständig. Und der wird uns nie die Erlaubnis geben.
    – Aber genau das meine ich, Da’. Ich hab es satt, immer um Erlaubnis zu bitten. Machen wir es doch einfach ohne.
    – Vielleicht. Wir sind aber trotzdem zu wenige.
    – Noch, noch, unterbrach ihn Libanese nachdenklich.
    Ein fetter gelber Mond hing über dem Horizont. Libanese hatte nicht Unrecht. Man musste im großen Stil denken. Aber eine Gang von vier Jungen hatte keine große Zukunft. Sich organisieren. Wie oft hatten sie schon darüber geredet? Aber wie sollten sie es angehen? Und mit wem? Ein Hund begann zu kläffen.
    – Hast du gehört?
    Schritte auf dem Pflaster. Wer auch immer es war, er versuchte sich nicht zu verstecken. Sie schlichen zu einem Stapel Lkw-Reifen. Ein krummer, dürrer Junge kam dahergestolpert. Als er nahe genug war, schnellten sie los. Libanese packte ihn von hinten und hielt ihn fest. Dandi gab ihm einen Tritt in den Unterleib. Mit einem Stöhnen ging der Junge zu Boden. Libanese
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