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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Katy Regan
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er da gefaselt hat, hätte man glauben können, sie hätte sich für eine Geschlechtsumwandlung angemeldet.
    »Im Grunde hat sie die Schule letzten Monat verlassen und hängt seitdem zu Hause rum, weint viel und verhält sich feindselig. Wie du dir vorstellen kannst, machen ihre Mutter und ich uns große Sorgen, und wir dachten – na ja, eigentlich war es Lexis Idee –, dass es ihr guttun würde, ein bisschen Zeit mit dir zu verbringen. Du führst in London ein so reizvolles Leben.«
    »Tue ich das?«
    »Und du warst immer so zielstrebig, so leistungsorientiert, Caro, du hast deinen Abschluss gemacht und bist auf die Universität gegangen. Du hast immer alles richtig gemacht. Du wärst ein großartiges Vorbild für Lex, die jetzt Führung braucht. Deshalb lade ich dich ein, diese Gelegenheit zu ergreifen, Caro. Cass und ich laden dich ein …«
    »Hör auf, mich einzuladen, Dad«, unterbreche ich ihn, »das ist keine verdammte Party.«
    Er macht dieses Geräusch, und ich weiß, dass er sich manisch an die Stirn klopft, was er immer tut, wenn er gestresst ist.
    »Ich schätze, was ich zu sagen versuche, ist: Könntest du mit ihr reden? Bitte, Schatz? Sie ist sehr wütend über etwas, und irgendetwas muss passiert sein, dass sie plötzlich aus der Schule aussteigt, aus dem Leben, einfach so …«
    »Wahrscheinlich hat sie nur Liebeskummer, Dad. Sie ist siebzehn, da kommt einem so etwas vor wie das Ende der Welt …« (Als wenn ich das wüsste.)
    »Aber das ist es nicht. Da irrst du dich, weil …«
    Es scheppert, als Lexi die Treppe herunterstürmt.
    »Hör zu, sie kommt gerade.«
    »Ich weiß, und ich rede gleich mit ihr, aber … Würdest du diese eine Sache für uns tun, Caro? Würdest du mit deiner Schwester reden? Ihre Mutter und ich möchten einfach nicht, dass sie ihr Leben wegwirft. Und abgesehen von allem anderen würde es dir auch die Möglichkeit geben, sie besser kennenzulernen. Sie ist wirklich ein gutes Kind, ein großartiges Kind.«
    Warum redete er plötzlich so, als würde er in einer Folge der Waltons mitspielen?
    »Das werde ich, Dad, okay? Natürlich werde ich das. Außerdem kommt sie da gerade …«
    Ich halte den Hörer hoch.
    »Es ist Dad«, sage ich. »Ich glaube, du solltest mit ihm reden.«
    Lexi telefoniert schon seit Stunden. Sie sitzt zusammengerollt wie eine Katze am Fenster in der Abendsonne und spielt mit dem Telefonkabel. Ich beobachte sie, während sie redet, und ich muss zugeben, dass sie sehr hübsch ist. Sie hat dickes dunkles Haar, das mit viel Mühe auf »unordentlich« gestylt ist, eine hübsche Stupsnase – die Nase ihrer Mutter, nicht den Steele-Zinken, den ich geerbt habe. Und dann diese Augen: weit auseinanderliegend, schokoladenbraun – mit ein wenig schwarzem Kajal ummalt, um das Katzenhafte zu betonen – und eingefasst von etwas zu buschigen Augenbrauen, die ihr ein natürliches, exotisches Aussehen verleihen, als würde sie lächerlich aussehen, wenn sie sich schminkte.
    Sie redet ewig mit Dad. Zuerst sind da nur das übliche trotzige Schnauben und das Augenverdrehen und ein »Ja, schon gut, Dad, deshalb brauchst du kein Nasenbluten zu kriegen«.
    Aber dann wird ihre Stimme viel leiser und weicher, und als ich das nächste Mal hinsehe, rollt eine dicke, fette Träne über ihr Gesicht.
    »Ich weiß das, Dad«, meint sie. »Ich weiß, es ist nur, weil ihr euch Sorgen macht … Natürlich würde ich es dir sagen, wenn da was wäre. Du weißt, dass ich dir immer alles erzähle …«
    Lügnerin, denke ich. Mädchen erzählen ihren Vätern nicht alles. Zumindest habe ich das nicht getan, was aber vermutlich daran lag, dass Dad immer das Reden übernommen hat.
    »Aber da ist nichts, ich schwöre es«, fährt sie fort und wischt sich mit der Handfläche über die Nase. Obwohl ich es nicht will, geht mir der Anblick zu Herzen. Selbst wenn es sich nur um Liebeskummer handeln sollte, ist sie richtig fertig, richtig aufgelöst – und sie hat die Schule geschmissen. Es muss etwas Ernstes sein.
    Schließlich verspricht sie: »Das werde ich. Ich vermisse euch auch. Ja, ich liebe euch auch.« Dann legt sie auf und sieht mich an, während ihr Wimperntusche über die Wange läuft. »Mein Gott, jetzt guck mich an«, sagt sie und lacht unter Tränen. »Ich muss doch aussehen wie eine totale Hackfresse.«
    »Willst du darüber reden?«
    Ich sitze jetzt neben ihr.
    »Nein. Ehrlich. Mir geht’s gut.«
    »Sicher?« Ich stoße sie mit dem Ellenbogen an. »Ich kann dir vielleicht helfen,
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