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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Katy Regan
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Pfirsich, und ich bekam weiche Knie. Dann fing das Baby an, mit dem Kopf gegen mich zu stoßen. Das entwickelte sich alles gar nicht gut.
    »Ah, sieh nur, sie sucht«, schwärmte Cassandra.
    »Wie meinst du das?« Es klang wie etwas, was ein Maulwurf tat.
    »Sie glaubt, du hast Milch, Süße. Sie hat Hunger. Sie denkt, dass du auch ihre Mami bist.«
    Dad schoss immer noch Fotos. »Meine beiden kleinen Mädchen«, sagte er ständig. »Meine beiden großartigen Mädchen«, was mich aus Gründen, dich ich immer noch nicht wirklich verstehe, plötzlich so wütend und so traurig machte, dass ich mich kaum noch davon abhalten konnte, ihn zu schlagen.
    Gegen neun Uhr abends tranken wir endlich Tee, und währenddessen wurde Lexi ständig zwischen Dad, Cassandra und dem Babykorb hin und her gereicht. Niemand fragte mich etwas – außer Dad, der wissen wollte, seit wann ich so viele Schuppen hätte. Dann ging ich ins Bett, eine Stunde früher als sonst, und heulte mir die Augen aus dem Kopf, während ich die ganze Zeit Lexi zuhörte, die das Gleiche machte.
    Dad war, sosehr ich ihn liebte, niemals ein Vater für mich und Chris gewesen, aber für jemand anders war er es jetzt. Und das tat weh. Das tat so weh wie nichts anderes je zuvor. Und wenn ich ehrlich bin, dann hielt sich die an jenem Tag gewonnene Erkenntnis – dass Alexis Simone nämlich nicht, wie ich gehofft hatte, meine als kleine Schwester verkleidete Retterin, sondern ein Eindringling war – lange bei mir. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann hat sich daran vermutlich bis heute nichts geändert.

3
    Am Morgen nach Lexis Ankunft in London wache ich von einem dröhnenden Geräusch auf. Zuerst glaube ich, dass ich einen Kater habe, aber dann stelle ich fest, dass ich mich dafür nicht annährend schlecht genug fühle, denn meine Kater gehören eher zu der Beim-Aufwachen-direkt-übergeben-Sorte. Ich entferne meine Ohrstöpsel und taste auf dem Boden nach meiner Brille. Morgens muss ich mich nämlich erst wieder an die Wahrnehmung der Welt gewöhnen, weil meine Kurzsichtigkeit inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass ich mein eigenes Spiegelbild grüße.
    Es dauert nicht lange, bis mir klar wird, dass das Dröhnen Musik ist und dass die von unten kommt.
    Erst da fällt mir wieder ein, dass ich einen Gast habe.
    »Lexi?« Ich hämmere jetzt im Schlafanzug gegen die Badezimmertür. »Lexi, bist du da drin?«
    »Ja«, ertönt eine gedämpfte Stimme von drinnen. »Komm rein, wenn du willst. Ich bin angezogen.«
    Ich reiße die Tür auf. Es ist dunstig und warm. Gerade eben so kann ich Lexi erkennen, die vor dem Waschbecken steht, aber sonst sehe ich nicht viel.
    »Äh, Musik?«, rufe ich in einem Tonfall, der – wie ich hoffe – als ein humorvolles »Es macht mir überhaupt nichts aus, dass du um sieben Uhr morgens Rockmusik hörst« durchgeht. Am Ende hebt sich meine Stimme jedoch vorwurfsvoll.
    »Gossip!«, schreit sie zurück.
    »Wie bitte?«
    » GOSSIP !« Sie dreht sich vom Waschbecken weg. »Die MUSIK . Das ist GOSSIP . Warum? Magst du die?«
    »ICH KANN NICHT BEHAUPTEN, DASS ICH SCHON MAL VON IHNEN GEHÖRT HÄTTE!«
    »WAS?! BETH DITTO IST EINE FEMINISTISCHE IKONE UNSERER ZEIT!«
    »ICH DACHTE, DU HÄTTEST GESAGT, DIE BAND HEISST GOSSIP.«
    »HEISST SIE AUCH. BETH DITTO IST DIE SÄNGERIN DER GRUPPE GOSSIP.«
    »OH …«
    »Warum SCHREIEN WIR?«
    »ICH WEISS ES NICHT. ICH KANN NICHTS HÖREN, WEIL ICH NICHTS SEHEN KANN, UND ICH KANN NICHTS SEHEN, WEIL ICH MEINE BRILLE NICHT AUFHABE. ICH GLAUBE, ICH HABE SIE HIER DRIN LIEGEN LASSEN.«
    »Oh mein Gott«, kichert Lexi, als ich mein Gesicht direkt vor ihres halte. »Du bist wirklich blind, oder?«
    Sie tastet am Waschbecken herum, reicht mir meine Brille, und ich setze sie auf. Erst da wird alles klar. Na ja, fast klar, denn etwas trübt mir noch immer die Sicht. Lexi hat sich eine Plastiktüte über die Haare gestülpt, und violette Haarfarbe läuft ihr über die Stirn und an ihren Ohren entlang. Mein glänzend weißes italienisches Designer-Waschbecken – aus einem Laden am Lavender Hill, das eine obszöne Menge Geld gekostet hat – ist vollgekleckst mit violetter Farbe. Und die Wand auch. Und das Handtuch um Lexis Schultern auch. Und, wie ich feststelle, auch meine Brille. Daher die dunklen Flecken vor meinen Augen.
    »Äh, das Waschbecken«, quietsche ich und denke: Reiß dich zusammen, Caroline. Bleib locker.
    »Das Waschbecken?«, fragt Lexi.
    »Es ist voller Farbe.« Ich betonte das Wort »Farbe«.
    »Oh!«
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