Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Katy Regan
Vom Netzwerk:
Sie beißt sich auf die Nägel. »Scheiße. Aber das geht wieder ab, oder?«
    Sie will mit ihren farbverschmierten Fingern daran reiben.
    »Äh, Lex, mach das nicht.« Ich versuche, ruhig zu klingen, während ich die Hysterie unterdrücke, die in mir aufsteigt.
    »Wenn ich nur …« Sie leckt an ihren Fingern und macht einen neuen Versuch.
    »Hör auf!« Eigentlich will ich, dass es ganz normal klingt, aber es schießt aus meinem Mund wie eine kleine, harte Kugel. » JETZT . Bitte, Lexi.«
    »Schon gut, Madam.« Nun rubbelt sie fröhlich mit meinem Waschlappen daran herum. »Beruhige dich. Ich mache es doch nur ganz vorsichtig ein bisschen …«
    Sie wischt sich einen Tropfen Farbe ab, der ihr über die Stirn läuft, und will dann wieder zum Waschlappen greifen. An diesem Punkt raste ich aus. Ich schlittere im Zeichentrick-Stil in meinen Frotteesocken über den Badezimmerboden und kralle mich an der Seite des Waschbeckens fest. » VERDAMMT NOCH MAL , LASS ES EINFACH , OKAY ? LASS …« Ich reiße mich zusammen. »Lass es.«
    Sie hört auf zu reiben.
    »Oh, okay. Tut mir leid«, entschuldigt sie sich. Zuckt sie wirklich zusammen?
    Etwas sagt mir, dass unser kleines Arrangement vielleicht nicht so gut funktionieren wird. Etwas sagt mir, dass ich schon zu lange allein lebe.
    Mal abgesehen davon, dass meine Schwester für den Sommer bei mir wohnen will, mache ich mir manchmal Sorgen darüber, was es über mein Leben aussagt, dass ich mich immer darauf freue, am Montag wieder arbeiten zu gehen. Eigentlich fing das mit den verhassten Wochenenden ganz langsam an. In meinen vierzehn Jahren mit Martin waren die Wochenenden okay. Na ja, sie waren so wie die von anderen – von anderen Paaren jedenfalls.
    Endlose Grillabende und Besuche bei den Fast-Schwiegereltern, Sonntagnachmittage im Tate Modern, obwohl keiner von uns wirklich etwas von dem mochte, was dort ausgestellt wurde, sodass wir immer im Museumsshop endeten, wo ich noch eine Dalí-Postkarte und Martin schon mal das nächste Geburtstagsgeschenk für seine Mutter kaufte – normalerweise einen weiteren Topfhandschuh im Liberty-Druck.
    Nach der Trennung genoss ich für ungefähr drei Monate meine wiedergewonnene Freiheit. Als der Reiz des Neuen jedoch vorbei war und meine besorgten Freundinnen, die ständig vorbeigekommen waren, sich wieder ihren vernachlässigten Lebensgefährten zuwandten, fing ich an, die Wochenenden zu fürchten, vor allem die Wochenenden im Sommer. Und Feiertage sind das Werk des Teufels. Die zwei im Mai – eine Foltermethode. Weil mir das, was ich mit dem Sommer in London verband – Schwimmen im Tooting Bec Lido, Picknicks im Hampstead Heath, Shakespeare im Regent’s Park –, allein keinen Spaß machte und ich mich manchmal – obwohl ich es hasse, das zuzugeben – einsam fühlte. Mich überfiel sogar Panik. Und in solchen Momenten dachte ich darüber nach, ob ich mit Martin vielleicht einen Riesenfehler gemacht hatte – tatsächlich frage ich mich auch jetzt noch manchmal, ob ich mit Martin vielleicht einen Riesenfehler gemacht habe. Schließlich habe ich irgendwie den »Zeitplan« nicht eingehalten. Zumindest hat er gerne etwas unternommen, selbst wenn es nur ein Ausflug ins Duxford-Luftfahrtmuseum war. Außerdem ist Martin Squire ganz einfach der netteste Mann auf der Welt. Weshalb er wahrscheinlich nicht der richtige Mann für mich war.
    Ich hole mein Handy raus und rufe ihn an. Ich vermisse das Wir-Gefühl am meisten morgens, wenn ich an der Battersea Park Station sitze, der zu Kopf steigende ölige Geruch des Londoner Sommers in der Luft liegt und der Himmel schon strahlend blau ist. Vielleicht liegt es daran, dass es mich an die Sommer erinnert, in denen wir hier zusammen gesessen haben und Martin eine seiner morgendlichen Aufmunterungsansprachen hielt: »Caro, nimm’s doch nicht so schwer, du hast doch immer noch mich. Was ist das Schlimmste, was passieren kann?«, fragte er dann. »Du verlierst einen Klienten. Du versagst.«
    Ich bekomme schon bei dem Gedanken Krämpfe.
    Das Telefon klingelt und klingelt, was merkwürdig ist, weil Martin sonst immer drangeht. Ich hinterlasse eine Nachricht.
    »Hallo, ich bin’s. Warum gehst du nicht ans Telefon? Ich wollte wissen, ob du vielleicht am Samstag mit mir in eine Ausstellung gehst? Wollte dich rechtzeitig fragen. Ist von einem deutschen Künstler, irgendwas Konzeptionelles. Hab’s in Time Out gesehen. Vielleicht ist es Schrott, aber es wäre schön, dich mal wiederzusehen. Wie immer.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher