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Rollentausch

Rollentausch

Titel: Rollentausch
Autoren: Lindsay Gordon
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hatte es nur Corin und sie gegeben. Er hatte sie gelehrt, im Indigna zu fischen und ruhig abzuwarten, bis sich der Silberschwimmer bewegte und der Speer flog. Corin hatte ihr das Schwimmen in den Kanälen beigebracht und ihr gezeigt, wo sie die besten Feigen fand. Wenn sie vor den Schlägen ihres Vaters davongelaufen war und sich versteckt hatte, wusste Corin sie zu finden.
    Bereits mit fünfzehn Jahren kletterte Mina athletisch und kraftvoll über die Felsen und kraulte auf seinem Rücken durch den engen Kanal. Als seine Schultern zu breit wurden, glitt sie an seinem Körper entlang. Er fand sie in der Mitte ihrer Höhle, inmitten des Lichtkegels von oben, weinend und die Arme um sich geschlungen. Zunächst sagte er nichts, er legte nur Arme und Beine um sie und zog sie an die Brust. Wenn ihr Zittern nachließ, schob er ihr verfilztes Haar mit seinem Kinn zur Seite.
    Er flüsterte ihr ins Ohr: »Ich würde dich nie schlagen, wenn du meine Frau wärst.«
    »Lass mich jetzt deine Frau sein, Corin!«, bat sie.
    »Mina ... Mina, das ist unmöglich.«
    »Ich bin fünfzehn«, sagte Mina ärgerlich. »Essuru ist auch fünfzehn. Sie ist verheiratet und schwanger!«
    »Schscht«, flüsterte er und schaukelte sie in seinen Armen. »Das ist nicht das Problem. Ich gehe zu Uruk. Ich werde Priester.«
    Sie wirbelte herum und starrte ihn an. Er sah verklärt auf sie und schien durch die Felsen ihres Geheimplatzes in eine andere Welt zu blicken.
    »Nein«, wimmerte sie, und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Bitte, tu das nicht.«
    »Die Götter haben zu mir gesprochen«, murmelte er.
    »Aber sie haben mich nicht gefragt«, erwiderte sie bissig.
    Mina wollte ihn heiraten, die schreckliche Hütte ihres Vaters verlassen und den ganzen Tag in der Gesellschaft ihres Freundes verbringen. Sie stellte sich gerade vor, wie herrlich es sein könnte, auch die Nächte mit ihm zu verbringen.
    Er gluckste und lockerte ihre Haare wie bei einem Kleinkind.
    »Und du wunderst dich, dass sich dein Vater über deine scharfe Zunge beschwert.«
    Sie entzog sich seiner Umarmung »Was bedeute ich denn den Göttern? Nichts? Muss ich bleiben und mich weiter schlagen lassen und ... und dich nie wieder sehen?« Zorn und Tränen verschlugen ihr die Sprache.
    »Stelle dich nicht gegen den Willen der Götter«, sagte er warnend.
    »Das werde ich aber, wenn sie dich mir stehlen!«, schrie Mina. »Das werde ich, wenn sie mir das Einzige, was in meinem Leben Bedeutung hat, stehlen. Während sie die ganze Welt zur Auswahl haben und ich nur dich habe. Wenn sie so sind, dann hasse ich sie!«
    Sie hasste sie natürlich nicht wirklich, denn eigentlich wusste sie nichts über sie. Ihre Namen kamen ihrem Vater nur über die Lippen, wenn er fluchte. Warum also etwas hassen, das sie nicht kannte?
    Mina weigerte sich, den Rest des Sommers, mit ihm zu sprechen. Am Tag, bevor die Priester kamen, zog er sie aufs Stoppelfeld. Sein Gesicht war mit Tränen bedeckt.
    »Mina, mein Liebling, Schwester meines Herzens ...«
    Sie drehte das Gesicht zur Seite. In den letzten Monaten war es hart und schmal geworden.
    Ihre Brüste waren plötzlich angeschwollen und pressten sich gegen ihr Hemd.
    »Deine Schwester ist nicht das, was ich sein will«, sagte sie kalt.
    »Ich will bei den Göttern für dich bitten, ich werde Opfergaben bringen. Alles, was du willst, wirst du haben, Reichtum, Frieden, Vergnügen.« Er legte seine Hände auf ihre Knie, als er sich vor sie kniete. Sie verspannte sich und versuchte, ihren Unmut zu verbergen. In ihren Handflächen pulsierte Hitze, ihre Finger lagen leicht auf ihren Oberschenkeln.
    »Wenn du schon kein Opfer für die eine Sache, die mir wichtig ist, bringen willst, wieso sollten deine Götter dann deine anderen Bitten erhören?« Ihre Antwort klang abgehackt und höhnisch.
    »Ist das meine Mina, die so hartherzig ist?«
    Als er das sagte, fuhr sie herum und sprang auf. »Nein!«, schrie sie, ihr Gesicht von heißer Wut gerötet.
    »Ich bin nicht deine Mina, und ich bin auch nicht hartherzig.« Bevor er sehen konnte, wie betroffen sie war, machte sie sich leichtfüßig wie eine Geiß davon.
    Mit seinen breiten Schultern passte er nicht mehr durch den Eingang ihrer Höhle. Aber nun wünschte sie sich, es wäre möglich gewesen, denn sie saß jetzt allein in ihrem Versteck. Sie bebte am ganzen Leib und weinte leise. Vergebens lauschte sie, ob er ihren Namen rief.
    Erst drei Jahre später sah er Mina wieder. Sie stand in einer Gruppe
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