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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache
Autoren: Kirsten Riedt
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hätte den Scharfsinn von ihrer Mutter geerbt und nicht von ihrem Vater. Dann hätte sie mehr für die Hausarbeit übrig.« Ihr Vater presste die Lippen fest aufeinander.
    »Wehe dem Mann, der sie einmal zum Weibe nimmt«, ergänzte Claas.
    »Ich heirate nicht.«
    »In Anbetracht deiner Neugierde wäre das für die Männer vielleicht ein Segen. Aber andererseits …« Er sah ihr fest in die Augen, und seine Miene verlor das Spöttische für einen Moment. »… auch eine Verschwendung.« Ungeniert zwinkerte er ihr zu, als wäre ihr Vater nicht da.
    Einen Augenblick war sie versucht, ihm die Zunge herauszustrecken, verkniff es sich aber, es gehörte sich schließlich nicht. »Ich verstehe die Geheimnistuerei nicht, wo ihr das Haupt doch so gut wie fertig habt und jeder es sehen kann!«
    »Anna, wenn wir es sagen könnten, dann wüsstest du es schon längst. Lass es gut sein.« Ihr Vater lächelte sie weiterhin amüsiert an, wandte sich dann Claas zu. »Lassen wir sie einstweilen in dem Glauben, dass es Hemeling ist, dann quält sie uns nicht täglich mit dieser Frage.«
    Claas dachte einen Moment nach, dann hob er seine Augenbrauen. »Ein hervorragender Einfall!« Damit reckte er sich und wechselte das Thema. »Wenn du magst, können wir später mal wieder eine Partie Schach spielen.«
    »Ach, du gewinnst ja sowieso immer.« Anna zog böse die Augenbrauen zusammen.
    »Schau nicht so zornig. Vielleicht lasse ich dich heute einmal gewinnen.«
    Wieder sah er sie so an, dass ihr die Wärme ins Gesicht stieg. Allein mit seinem Blick konnte er sie verlegen machen, das war früher, vor seinem Jahr auf Wanderschaft, nicht so gewesen.
    »Das Essen war übrigens wieder wunderbar, hast du es gemacht?«
    »Zusammen mit Mutter.«
    Ihr Vater sah von einem zum anderen, dann erhob er sich, wobei kleine Staubwolken aus seiner Kleidung traten.
    »Es wird Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen, ehe das schwindende Tageslicht dunkle Schatten auf den Stein wirft.«
    »Darf ich bleiben und zusehen?«
    »Nein, Anna. Du gehst jetzt wieder nach Hause.«
    Auch Claas erhob sich und sah sie ein wenig mitleidig an. »Sag deiner Mutter einen Gruß, die Pastete war die beste, die ich je gegessen habe.«
    Enttäuscht nickte Anna. »Ich werde es ausrichten.« Dann nahm sie den leeren Korb und ging zur Tür, die mit einem schweren Balken verriegelt war. »Früher habt ihr nicht so ein Geheimnis um eure Arbeit gemacht.« Sie ärgerte sich darüber, dass die beiden sie nicht einweihten, zumal sie etwas von der Bildhauerei verstand.
    »Anna!« Die Art, wie ihr Vater ihren Namen aussprach, machte ihr klar, dass es nun genug war.
    »Ja, Vater.« Verlegen senkte sie den Kopf.
    »Bis heute Abend.«
    Claas nahm den schweren Balken hoch, als würde er nichts wiegen, und ließ sie hinaus.
    »Bis morgen, Anna.« Wieder lag etwas in seinem Blick, das sie nicht kannte und verwirrte.
    »Wiedersehen, Claas.« Sie schlüpfte hinaus und trat in den Herbstwind, der den Staub auf ihren Kleidern umherwirbelte. Claas schloss die Tür, und sie hörte, wie er den Balken wieder davorlegte. Fröstelnd zog sie ihren Umhang enger, dann machte sie sich auf den Weg nach Hause. Unentwegt musste sie dabei an ihn denken. Warum machte er sie nur so verlegen?
    Ihre Mutter rückte ihre Haube zurecht und verzog missbilligend das Gesicht, als Anna in die Küche kam. Über dem Herdfeuer dampfte ein Topf, und es roch im ganzen Haus nach der Kohlsuppe, die sie für morgen kochte.
    »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst das Essen an der Tür abgeben. Sieh dich nur an!« Sie deutete mit ihrem Finger auf Annas Kleid und dann auf ihre Haare. »Du weißt, wie lange deine Haare zum Trocknen brauchen, und das Kleid wirst du selbst waschen.«
    »Aber Mutter, ich wollte sehen –«
    »Du wirst es sehen, wenn es fertig ist«, unterbrach ihre Mutter sie und hob dramatisch die Hände zum Himmel, genau wie ihr Vater es immer machte. »Woher hast du nur diese Neugierde?«
    Anna zog die Augenbrauen zusammen. »Früher durfte ich sogar mithelfen, und dieses Mal –« Wieder ließ ihre Mutter sie nicht aussprechen.
    »Du klingst wie ein kleines Mädchen, das seinen Willen nicht bekommt, und nicht wie eine junge Frau von neunzehn Jahren. Vielleicht sieht dein Vater endlich, dass es für dich Zeit wird, zu heiraten und Kinder zu bekommen, anstatt Männerarbeit zu machen.«
    »Ich werde nie heiraten und in einer Küche mein Leben verbringen.« In dem Moment, in dem sie es ausgesprochen hatte, wusste sie,
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