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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache
Autoren: Kirsten Riedt
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ihres Alters, die sich vorwiegend um ihre Kleidung und Kochkünste sorgten. Da diese Dinge sie langweilten, mied sie die Zusammenkünfte dieser Mädchen schon seit Langem.
    »Anna?« Der Ruf riss sie aus ihren Gedanken.
    »Ja, Mutter?«
    »Komm herunter und mach ein paar Besorgungen auf dem Ziegenmarkt.«
    Seufzend legte Anna die Bürste auf die Truhe und folgte der Aufforderung ihrer Mutter.
    Zweimal die Woche wurde ganz in der Nähe, dort wo die Häuser enger beieinanderstanden, der Ziegenmarkt abgehalten. Er war längst nicht so groß wie der Markt in Bremen und auch nicht so voll, aber man bekam, was man brauchte. Sie lebten außerhalb der Stadtmauern von Bremen, wo noch ein paar wenige Steinmetze und Bildhauer ihre Werkstätten hatten und das alte Zunfthaus stand. Für Ausgefallenes musste man jedoch den Fußmarsch durch das Ostertor in der Stadtmauer und zum großen Marktplatz in Kauf nehmen. Es war immer reges Treiben zu Füßen des St.-Petri-Doms, dessen Turmspitze man selbst von hier aus sehen konnte.
    Vor einem Jahr, kurz bevor sie mit dieser Statue angefangen hatten, hatte ihr Vater der Familie erzählt, dass immer mehr Steinmetze in die Stadt zögen, um näher an den Baustellen zu sein. So ließen sich die Kosten für den Transport der Rohsteine aus dem Hafen sparen, die dann auch viel schneller bei ihnen wären. Er wollte gern in ein Haus ziehen, in dem unten die Werkstatt und genau darüber ihre Wohnung läge. Außerdem könnte er mit den anderen Zunftmitgliedern im Innenhof des Zunftgebäudes arbeiten. Ihre Mutter machte der Gedanke sehr unglücklich, und sie gab zu bedenken, welche Nachteile ein solcher Umzug mit sich brächte: Gestank, Staub, Lärm und viele Menschen. Jetzt lägen das Fachwerkhaus und Vaters Werkstatt so weit auseinander, dass sie vom Hämmern und Staub verschont blieben. Meistens arbeite er sowieso im Freien, und nur bei Regen oder Schnee benutze er das ehemalige Lagerhaus, um vor schlechtem Wetter geschützt zu sein. Ihr Heim sei seit Großvaters Zeiten im Besitz der Familie. Mitfühlend hatte ihr Vater eingelenkt und beschlossen zu bleiben, wo sie waren. Damit nahm er auch weiterhin den mühsamen Transport der Rohsteine und den langen Weg zu den verschiedenen Arbeitsstellen in Kauf, wobei sich Letzteres durch die ausschließliche Arbeit an dieser Figur inzwischen erledigt hatte.
    Als Anna den kleinen Platz erreichte, auf dem der Ziegenmarkt abgehalten wurde, strömten verschiedene Gerüche auf sie ein: nach gerösteten Maronen, frischem Brot, aber auch nach Schweiß und Unrat. Menschen aus allen Schichten verhandelten, kauften oder unterhielten sich über die Waren oder sie standen einfach da und beobachteten andere. Es gab mehrere Stände, die Mehl, Weizen, Bucheckern oder Honig und vieles mehr anboten, einen Bauern, der Milch verkaufte, einen Fischhändler, einen Schlachter und einen Stand mit Eiern und Geflügel. Jetzt zum Winter hin war auch der Bauer mit seinen Rüben dabei. Sie kannte alle mit Namen, und die meisten kamen hierher, seit sie denken konnte. Schon als kleines Kind war sie mit Thea, ihrer im Moment abkömmlichen Magd, zum Markt gegangen.
    »Guten Tag, junge Anna Olde.« Eine männliche Stimme ließ sie herumfahren. Vor ihr stand, gekleidet in einen teuren Pelz, der Ratsherr Johann Hemeling, mit seiner ebenfalls in teure Kleider gehüllten Frau am Arm, die Anna offen anlächelte. Sie war von zierlicher Gestalt, viel jünger als er und mit reichlich Gold und Geschmeide behangen. Einkäufe der normalen Art erledigten die beiden hier bestimmt nicht.
    »Guten Tag, Herr und Frau Hemeling.« Anna machte einen Knicks und musste sich das Lachen verkneifen, als ihr Blick dabei auf Hemelings Knie fiel. Sie fand nicht, dass sie sonderlich schief wirkten, auch wenn sie das unter den Beinlingen kaum erkennen konnte.
    »Guten Tag, Anna«, sagte seine Frau, die nicht viel älter war als sie selbst.
    »Wie geht es deiner Familie?« Der Ratsherr lächelte ebenfalls freundlich. Anna mochte die beiden, stets hörte sie von ihrem Vater nur, dass Hemeling ein heller Kopf und einer von den Menschen war, die das Wohl der Stadt vertraten und nicht ihren Geldbeutel. Wenn man sich jedoch die goldenen Ringe und Ketten seiner Gemahlin ansah, konnte man auf andere Gedanken kommen. Anna wollte sich aber darüber kein Urteil erlauben, sie hatte gehört, dass die junge Frau Hemeling ein Kind reicher Eltern war und die Mitgift mehr als groß gewesen sein sollte.
    »Sehr gut, vielen Dank.«
    Seine
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