Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
gleichgültig wie lange sie noch darauf zu
warten hatte und trotz des Risikos, das sich damit verband.
Außerdem, sie vagabundieren durchs All, gewiss komfortabel.
Aber die Aussicht, lebenslang, noch dazu auf eingeschränktem
Raum, in einem Schiff zu weilen…’
Vorerst jedoch galt für Robina, aus der Wolke, in die es sie
bei dem Gedanken an den Kontakt mit einer fremden
Zivilisation versetzt hatte, herabzusteigen. Unbegreifbar
schnell war dies einer pragmatischen, zwar folgenschweren,
aber profanen Entscheidungssituation gewichen. Dazu kam die
Enttäuschung darüber, wie gleichgültig die Anderen das
Zusammentreffen mit den Menschen aufnahmen. ,Als stießen
sie tagtäglich auf eine andere Zivilisation! Es kann doch nicht
sein, dass ihnen mein bisschen dürftiges Geschreibsel
ausreicht, um sich über eine vernunftbegabte Spezies zu
informieren! Nun, damit werde ich mich abzufinden haben.’
Langsam fand Robina zu sich. ,Abzufinden haben’, echote es
in ihr. ,Womit?’ Sie überschlug: vorausgesetzt, die Besucher
sind in der Lage, sehr bald einen Spruch zur Erde abzusetzen,
dann benötigt dieser etwas über vier Jahre bis dorthin. Erstes
Risiko: Er muss empfangen werden, und zwar verständlich.
Zweites Risiko: Auf der Erde muss man Interesse haben, einen
einzelnen Menschen mit höchstem Aufwand zu bergen.
Vorausgesetzt, das hat man
– was keineswegs
selbstverständlich ist –, müsste man zusätzlich dazu die Mittel
haben, – drittes Risiko
– eine entsprechende Exkursion
auszurichten, ein geeignetes Raumschiff zum Beispiel.’ Robina
erinnerte sich: An der REAKTOM hatte man vier Jahre gebaut.
,Nun gut, die Entwicklung ist fortgeschritten. Der Flug,
angenommen, der Leitstrahl, von dem der Erste gesprochen
hat, ist stabil, dauert mindestens sieben Jahre.
Zusammengefasst heißt das, wenn ich nur ein Jahr
Startvorbereitung rechne, dass sie allerfrühestens in zwölf
Jahren hier sein könnten. Welche Ironie: Es entspräche der
Zeit, die ich auf diesem Gesteinsbrocken ohne die Anderen die
Chance hatte, zu überleben.’
Robina blickte sich in ihrer Kemenate um. Sie betrachtete ihr
Pflanzenmeer. „Da muss ich euch ein wenig klein halten, ihr
Lieben, sonst erdrückt ihr mich.“
,Außer ein bisschen Tagebuch gibt es nichts mehr
aufzuschreiben. Noch intakte Kristallflächen bleiben in ihrer
wunderbaren Reinheit erhalten. Die arroganten Fremdlinge
brauchen angeblich keine weiteren Informationen. Den
Menschen, die mich holen, kann ich alles Wissenswerte
berichten. Und was wird das schon sein? Was kann ich wohl
noch Aufregendes auf dem Kristallscherben erleben – auch
wenn es zwölf Jahre sind! Es wird eine verdammt langweilige
Zeit, Robina! Und ob sie am Ende tatsächlich kommen…’
Nicht richtig gegenwärtig ging Robina ihren Verrichtungen
nach. In ihrem Kopf kreiste der Gedanke an die 12 Jahre, und
doch wusste sie, dass sie sich damit abzufinden hatte. Immer
wieder stellte sie sich die Frage, was sie eigentlich erwartet
hatte: Wären Menschen gekommen
– a priori mehr als
unwahrscheinlich – kein Wunsch wäre offen geblieben. Die
lange Reisezeit nach Hause stand von vornherein fest. Aber im
Grunde hatte sie die Anderen herbeigesehnt, des Kontaktes
wegen. Was hatte sie erwartet? Was hätte man erwarten
können? Dass sie von wer weiß wie weit herkommen und dann
eines Menschen wegen weitere Milliarden Kilometer reisen,
um ihn vor seiner Haustür abzusetzen? Konnte man das
erwarten?
,Habe ich gedacht, dass sie das tun würden?’ Und Robina
erkannte in diesem Augenblick, dass ihr Sehnen ausschließlich
auf den Punkt des Ankommens der Retter gerichtet war, dass
das Danach in ihrem Denken keine Rolle gespielt hatte. Umso
bitterer traf sie jetzt die Erkenntnis, dass ihre Misere längst
nicht mit dem Zusammentreffen endete. Robina spürte, dass
etwas geschehen
musste, wollte sie nicht Verzweiflung
anfallen.
„Raus!“ Sie unterbrach das Bergen der Pflanzenableger, stieg
in den Raumanzug und schleuste sich aus.
Ihre Stimmung verschlechterte sich noch erheblich, als sie in
völlige Finsternis trat. Die Ankömmlinge hatten den
Lichtsender erneut abgeschaltet. –
7
    Robina schwang sich auf das Eselchen und schlug den Weg
zum großen Kristall ein. Sie achtete nicht auf Birne und das
komfortable Vehikel, das ihr, einen mächtigen, grellen
Lichtkegel vorauswerfend, folgte. Selbst kleinste
Mineralbrocken und Auswucherungen zeichneten lange bizarre
Schatten, die vor ihr her gaukelten. Robina
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher