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Ritus

Ritus

Titel: Ritus
Autoren: Markus Heitz
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vierbeiniger, kalbgroßer Schatten auf die Frau zu, es knirschte laut und ihr Schädel wurde von dem mächtigen Gebiss geknackt wie eine reife Nuss. Ihr Torso fiel zuckend in den Schnee, ihr Blut schoss hervor und tünchte die Umstehenden und die Transportboxen rot.
    Ehe sich einer der anderen von dem Schreck zu erholen vermochte, schlug der Angreifer bereits wieder zu, warf sich auf einen Mann und riss ihm die Kehle mit einem einzigen Biss heraus; der vordere Teil des Halses flog davon, lediglich die Wirbelsäule blieb übrig.
    Keiner, nicht einmal Eric, hatte mit so etwas gerechnet: eine zweite ausgewachsene Bestie! Der Rüde war von den klagenden Lauten seines Nachwuchses angelockt worden und verteidigte die Brut gnadenlos.
    »Deacon!«, schrie eine der Frauen gellend und zog einen Taser, mit dem sie sich gegen die Bestie verteidigen wollte. Das Gerät, das kleine Nadeln mit Drähten verschoss und einen Getroffenen mit Stromstößen ausschaltete, wirkte reichlich harmlos angesichts des Ungeheuers, das dort stand.
    Der Rüde war groß, verflucht groß, und stand gut im Futter; das wildreiche Gebiet des Nationalparks sorgte selbst im Winter für genügend Nahrung. Die roten Augen leuchteten wütend, Blut troff von der Schnauze, dem Hals und dem rötlich braunen Brustfell.
    Der Mann, den sie warnen wollte, wurde das nächste Opfer. Da nur sein Unterleib aus dem Bau ragte, schlugen sich die Zähne in den Schritt. Die Bestie riss und zerrte, bis sie ein gewaltiges Stück Fleisch aus dem Hintern samt den Weichteilen gerissen hatte. Der Mann schrie und versuchte, nach dem Rüden zu treten, doch der Angreifer wich den Sohlen nicht einmal aus. Er fürchtete sie nicht und zerbiss stattdessen den Unterschenkel.
    Die Frau feuerte ihren Taser ab, die andere hob das Gewehr eines Toten auf und legte auf die Bestie an. Die unter Hochspannung stehenden Nadeln bohrten sich durch das Fell und gaben die elektrische Ladung an die Bestie ab; gleichzeitig krachte das Gewehr und traf.
    Eric sah die roten Fäden eines Betäubungspfeils aus der linken Flanke hervorstehen. Obwohl sich die Frauen in Lebensgefahr befanden, verzichteten sie darauf, die rasende Bestie zu töten.
    Eric musste nun aktiv werden. Er pirschte über den Schnee auf den Bau zu. Die Frauen nahmen ihn nicht wahr, weil sie sich um die Bestie kümmerten. Sie hatte noch lange nicht aufgegeben und versuchte, die Nadeln aus dem Körper zu schütteln, während die Frau noch mehr Strom freisetzte. Die andere lud das Gewehr hektisch nach und schoss einen weiteren Pfeil in die Bestie. Endlich begann sie zu schwanken, die Kombination aus Volt und Betäubungsmittel wirkte.
    Eric überraschte die abgelenkten Frauen vollends. Der einen schlug er die Faust in den Nacken, woraufhin sie ächzend zusammenbrach, die andere bekam den Griff des Dolches genau zwischen die Augen; auch sie stürzte in den Schnee. Eric hielt sich nicht weiter mit ihnen auf, sondern sprang zur Bestie.
    Der Rüde hatte die neue Bedrohung sehr wohl bemerkt und versuchte, Eric anzugreifen. Aber der Sprung fiel lahm und müde aus, es bereitete dem erfahrenen Kämpfer keine Mühe, ihm auszuweichen. Als er das Fell an sich vorbeifliegen sah, musste er nur die Hand mit dem Silberdolch heben und zustoßen. Die Bestie schlitzte sich durch ihren eigenen Schwung die Seite auf und fiel heulend in den Schnee.
    Sofort war Eric über ihr, packte ihre Kehle mit eisernem Griff und starrte in die funkelnden Rubinaugen. »Du wirst niemanden mehr töten«, versprach er düster. »Und wenn ich deine Brut ebenso wie dich abgestochen habe, wird es keinen mehr von euch geben. Ihr habt schon viel zu lange existiert.«
    Ein einziger Stich genügte, und das Herz des Rüden erstarb. Die Augen brachen, wurden blind und verloren ihr unheiliges Feuer; kurz danach setzte die Rückverwandlung ein, und aus der schrecklich anzuschauenden Kreatur wurde ein Mann um die fünfundzwanzig Jahre mit kurzen, braunen Haaren. Wie immer sahen die Menschen vollkommen harmlos, unschuldig und bemitleidenswert aus.
    Eric ging hinüber zu den Transportboxen, in denen die kleinen Bestien tobten und sich in die Gitter verbissen, um aus ihren Gefängnissen auszubrechen.
    Vor dem ersten ging er in die Hocke und betrachtete das Fellbündel, das trotz des wilden Gebarens die Tapsigkeit und Drolligkeit von herkömmlichen Hundewelpen besaß, die Menschen liebten und zum Lachen brachten. Das Lachen würde ihnen vergehen, wenn das niedliche Tier ihnen erst mal die Finger
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