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Ritter des dunklen Rufes

Titel: Ritter des dunklen Rufes
Autoren: David Gemmell
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Häuser waren roh gezimmert, andere wiesen eine etwas sorgfältigere Bauweise auf. In der Mitte des Weilers befand sich ein offener Platz mit einem Gasthaus und einem Pferdestall.
    Druss rieb sich die Schenkel und versuchte, die rheumatischen Schmerzen in seinem geschwollenen rechten Knie zu mindern. Seine rechte Schulter schmerzte, aber das war nur ein dumpfes Pochen, mit dem er leben konnte, eine Mahnung an vergangene Schlachten, als ein ventrischer Speer ihn unter dem Schulterblatt getroffen hatte. Aber das Knie! Ohne Rast und einen kalten Umschlag würde es ihn nur noch wenige Kilometer weit tragen.
    Er räusperte sich, spie aus und wischte sich dann mit seiner Riesenhand die bärtigen Lippen ab. Du bist ein alter Mann, sagte er zu sich. Es hat keinen Sinn, so zu tun, als wäre das nicht der Fall. Er hinkte den Hügel herab zum Gasthaus und überlegte wieder einmal, ob er ein Pferd kaufen sollte. Sein Kopf sagte ja und sein Herz nein. Er war Druss – Druss die Legende. Ohne zu ermüden konnte er die ganze Nacht hindurch wandern und den ganzen Tag lang kämpfen. Es wäre gut für die Moral, wenn er zu Fuß nach Dros Delnoch hineinmarschiert käme. Die Leute würden sagen: »Bei allen Göttern, der alte Knabe ist von Skoda hierher marschiert.« Und andere würden antworten: »Natürlich. Das ist Druss – die Legende. Der reitet doch nicht.« Doch sein Verstand sagte ihm, er solle ein Pferd kaufen und es dann am Waldrand zurücklassen, vielleicht fünfzehn Kilometer vor Dros Delnoch. Und wer würde das schon merken?
    Die Gaststube war überfüllt, aber der Wirt hatte noch freie Zimmer. Die meisten waren auf der Durchreise, auf dem Weg nach Süden oder nach Westen ins neutrale Ventria. Druss zahlte, nahm einen Beutel voll Eis mit auf sein Zimmer, setzte sich auf das harte Bett und presste ihn gegen das geschwollene Knie. Er war nur kurz in der Gaststube geblieben, doch lange genug, um einige der Gespräche mitanzuhören und zu erkennen, dass viele der Männer Soldaten waren. Deserteure.
    Er wusste wohl, im Krieg gab es immer Männer, die sich lieber davonmachten als zu sterben. Aber viele der jungen Männer da unten wirkten auf ihn eher demoralisiert als feige.
    Standen die Dinge in Dros Delnoch so schlecht?
    Er entfernte das Eis und massierte die Flüssigkeit vom Gelenk. Seine Finger drückten und pressten, er knirschte vor Schmerz mit den Zähnen. Schließlich war er zufrieden, öffnete sein Bündel und nahm ein Stück kräftiger Baumwolle heraus, das er straff um das Knie wickelte. Dann rollte er seine wollenen Beinkleider wieder herunter und zog den Stiefel über den Fuß. Er schnaufte, als er das verletzte Knie durchdrückte. Er stand auf, ging zum Fenster und stieß es auf. Sein Knie fühlte sich besser an – nicht viel, aber genügend. Der Himmel war blau und wolkenlos, und eine kühle Brise strich durch seinen Bart. Hoch oben kreiste ein Adler. Druss ging zu seinem Gepäck und holte den zerknitterten Brief aus Delnar heraus. Er nahm ihn mit zum Fenster, um mehr Licht zu haben, und glättete das Pergament.
     
    Mein teurer Kamerad,
     
    selbst jetzt, wo ich schreibe, bekomme ich Nachrichten über die Armee der Nadir, die sich bei Gulgothir sammelt. Es ist klar, dass Ulric bereit ist, sich nach Süden zu wenden. Ich habe an Abalayn geschrieben und ihn um Verstärkung gebeten. Aber es wird keine geben. Ich habe Virae zu Vintar geschickt – erinnerst du dich an den Abt der Schwerter? – und ihn um Die Dreißig gebeten. Ich klammere mich an Strohhalme, mein Freund. Ich weiß nicht, in welchem Gesundheitszustand dich dieser Brief antreffen wird, aber er ist in Verzweiflung geschrieben. Ich brauche ein Wunder, oder Dros Delnoch wird fallen. Ich weiß, du hast geschworen, nie wieder einen Fuß hineinzusetzen, aber alte Wunden heilen, und meine Frau ist tot. Sowie dein Freund Seben. Du und ich sind die einzigen Lebenden, die die Wahrheit kennen. Und ich habe nie darüber gesprochen. Dein Name allein wird bewirken, dass weniger desertieren, und er wird die Moral wieder erstarken lassen. Ich bin von allen Seiten von schlechten Offizieren umgeben, die aus politischen Gründen ernannt wurden, aber meine schwerste Bürde ist der Befehlshaber Gan Orrin. Er ist Abalayns Neffe und ein strenger Zuchtmeister. Die Leute hassen ihn, aber ich kann ihn nicht absetzen. In Wahrheit führe ich nicht länger das Kommando. Ich habe Krebs. Er verzehrt mich von Tag zu Tag mehr. Es ist nicht gerecht, dir davon zu erzählen, denn ich
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