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Rita das Raubschaf

Rita das Raubschaf

Titel: Rita das Raubschaf
Autoren: Martin Klein
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»Keine Angst, Leute. Wir haben nur noch eine Frage: Wo wohnt der Marabu?«
    »Den Hauptweg geradeaus und an der großen Linde rechts«, quietscht ein Hängebauchschwein.
    »Danke und auf Nimmerwiedersehen!« Schon ist Ruth zum Hauptweg geflitzt. Rita rennt hinterher. Am Tor hält sie noch einmal inne. »Vielleicht hat doch jemand Lust mitzukommen?«
    »Nein, nein, danke, danke, schon gut!«, rufen die Streichelzootiere durcheinander. »Und am besten machst du dich auch gleich auf den Weg, sonst verlierst du noch deinen Kumpan aus den Augen, und das wäre doch dumm, und der Marabu ist am Ende nicht zu Hause und …«
    Den Rest hört Rita nicht mehr.
    Der Marabu wohnt mit ein paar uralten Schildkröten auf einer Wiese, die von einem trüben Wassergraben umgeben ist. Die Schildkröten liegen herum wie vermooste, dicke Kieselsteine. Der Marabu steht bewegungslos auf einem seiner dünnen Beine. Er hat einen langen, abgewetzten Schnabel, einen kahlen, abgeschabten Kopf und trägt einen schwärzlichen Frack. Er ist alt und weise, ein bisschen hässlich und ein bisschen traurig, und er sieht aus, als ob er schläft.
    »Guten Abend, Marabu«, sagen Rita und Ruth. »Wir hätten gern gewusst, wo das Land liegt, das wie Australien und Amerika zusammen ist.«
    Der Marabu blinzelt müde und wiegt den abgeschabten Kopf hin und her.
    »Warm und groß?«, krächzt er bedächtig.
    »Ja!«
    »Rau und edel?«
    »Genau!«
    »Ohne Zäune, Käfige und Grapscherei?«
    »So ist es!«, jubeln Rita und Ruth.
    »Gibt’s nicht.«
    »Waas?!«
    Der Marabu schüttelt langsam den Kopf und klappert mit seinem langen Schnabel. »Tut mir leid.« Er sieht noch ein bisschen älter und trauriger aus.

    »Und jetzt?«, fragen Ruth und Rita leise.
    »Fahrt nach Afrika«, krächzt der Marabu. »Wenn auf dieser Welt etwas zählt, dann ist es Afrika.«
    Das ist nämlich seine Heimat. Er schließt die Augen und sieht jetzt aus wie versteinert. Rita und Ruth bleiben eine Weile stehen und schweigen mit ihm zusammen.
    Dann sagt Rita: »Ach, weißt du, liebe Ruth, ich hab’s mir überlegt: Ich fahr mit dir nach Südamerika!«
    »Und ich, liebe Rita«, erwidert Ruth, »habe mich entschlossen, mit dir nach Australien zu kommen.«
    »Warum reist ihr nicht in die Karibik?«, fragt eine dunkle Stimme.
    Hinter den beiden streckt eine Riesenschildkröte den schuppigen Kopf aus dem verwitterten Panzer. »Ich bin dort geboren, und ich sage euch, ich habe in über zweihundertfünfzig Jahren keinen besseren Ort kennengelernt.«
    »Das ist eine gute Idee«, erwidern Rita und Ruth wie aus einem Mund. »Da wollten wir sowieso zuerst hin.«
    »Ihr wärt töricht, würdet ihr von dort jemals wieder fortgehen«, raunt die Schildkröte. Sie spricht sehr langsam. »Diese Dummheit beschäftigt mich schon seit über hundert Jahren.«
    »Komm mit uns«, sagt Ruth. »Wir sind Freibeuter und können jeden gut brauchen.«
    »So, Freibeuter seid ihr?« Die alte Schildkröte betrachtet die zwei aufmerksam. »Ich kannte viele. Keiner sah aus wie ihr.«
    »Wir sind noch nicht so lange dabei«, sagt Rita. »Uns fehlt …« – nur noch ein bisschen Übung, will sie hinzufügen. Aber Ruth bringt sie mit einem Knuff zum Schweigen.
    »Na, können wir auf dich zählen?«, fragt sie möglichst munter.
    Die Schildkröte schiebt mühsam ein Vorderbein, das wie eine Lederschaufel aussieht, aus ihrem Panzer und winkt damit schlapp ab. »Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß wie früher.«
    »Macht nichts«, sagt Rita. »Du musst ja nicht gerade die Segel setzen.«

    »Es reicht, wenn ihr fahrt. Ich bin jetzt hier. Gute Reise und schöne Grüße.«
    Mit diesen Worten zieht sich die Schildkröte wie in Zeitlupe in ihren Panzer zurück. Es geschieht so langsam, dass Ruth und Rita gähnen müssen.
    Schließlich liegt die alte Schildkröte da wie ein großer Findling, der schon seit einer Ewigkeit an seinem Platz ist. Es ist klar, dass sie sich nicht fortbewegen wird. Niemals. Und es ist auch klar, dass das Gespräch beendet ist.
    Plötzlich überkommt Rita und Ruth eine ungeheure Müdigkeit. Sie schleichen mit letzten Kräften zur Raubtierabteilung und schlüpfen in ein dichtes Gebüsch. Sekunden später schlafen sie tief und fest.

Strandabenteuer

    A uf zu den sieben Meeren!«, ruft Ruth am nächsten Morgen in aller Frühe.
    »Oder erst mal zu einem«, sagt Rita.
    Die beiden verlassen den Zoo lange vor der Öffnungszeit. Nur die Frühaufsteher unter den Tieren und ein Wachmann bemerken sie. Er reibt sich
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