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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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Namenspatronin hinauf.« Til zog einen Kohlestift aus dem dunkelgrünen Wams. »Wir geraten ins Schwatzen. Dabei sollten wir die wertvolle Zeit nutzen. Komm!«
Während er schon auf dem Weg zurück in die Schnitzwerkstatt war, trat sie rasch ganz dicht an den Adam heran, beugte sich zur linken Hüfte und wagte einen Blick auf seine glatte weiße Rückansicht. »Oje. Ich hab’s befürchtet. Kein zweites Feigenblatt. Oje.« Heftig atmete sie aus und huschte dem Meister nach.
Neben der gemauerten offenen Feuerstelle breitete Til eine Leinenplane auf dem Boden aus, sah hinauf zu den Fenstern, verrückte das Tuch so weit, bis die Sonnenstrahlen es nicht mehr erfassten. Ohne Mühe hob er den schweren Zeichentisch und stellte ihn so, dass er das Tageslicht im Rücken hatte. Noch die richtige Schräge der Arbeitsplatte, auch das Papier war nach wenigen Handgriffen eingespannt.
Erst jetzt sah er sie wieder an. »Du musst dich dahin stellen.« Er sprach sanft, dennoch suchte er nach Worten. »Damit du nicht frierst, hab ich Feuer machen lassen …« Noch ehe er weitersprach, zeigte ihre Miene, dass sie wusste, worum er sie jetzt bitten würde. »Ich will dich zeichnen wie im Paradies. Du warst damit einverstanden.«
»Aber ich kann mich doch nicht vor Euch ausziehen?«
Verblüfft rieb er das Kinn, dann heiterte sein Gesicht auf. »Ja, du hast recht. Eva kannte bis dahin keine Kleider, wusste auch nichts vom Reiz, den das Ablegen verursachen kann. Geh dort drüben hinter den Johannes Evangelista. Und keine Furcht. Er ist noch blind.«
»Macht Euch nicht lustig.«
»Gott bewahre.« Seine Stimme blieb leicht. »Eher wundere ich mich über mich selbst. Weil ich ebenso befangen bin wie du. Wir sollten uns beide davon befreien.« Damit drehte er sich ab und legte neue Scheite aufs Feuer.
Magdalena kehrte zurück. Sie hielt das Kittelkleid schützend vor den Leib. Barfuß trat sie auf die Plane, blieb in der Mitte stehen und sah zum Zeichentisch. »Bin ich hier richtig?«
Als wäre er mit dem Blatt vor sich beschäftigt, hob Til nur kurz den Kopf, er nickte und kümmerte sich nicht weiter um sie.
Nach einer Weile warf sie das Kleid mit Schwung zur Seite. »Redet Ihr nicht mehr mit mir?«
»Entschuldige.« Til öffnete leicht die Lippen. Sein Blick umfasste die Gestalt, das gelöste lange Haar, er ahnte den hellen Samt der Haut. Mit dem nächsten Lidschlag begann er wieder von Neuem, er wollte mehr begreifen und betrachtete die schlanken Beine, die warme Form des Beckens, über dem Haarvlies verweilte er an ihrem sanft schwellenden Bauch, ehe er hinaufglitt zu den festen Brüsten. »Du bist Eva.« Er sah in ihre Augen. »Ganz selten übertrifft die Natur meine inneren Bilder und Wünsche. Doch du bist mehr.«
»Wenn Ihr weiter so schmeichelt, ziehe ich mich besser wieder an.«
»Untersteh dich«, drohte ihr der Meister; mit einem Kreidestück in der Hand verließ er seinen Platz und war bereits am Rande der Plane.
»Nein, bleibt da, Herr!«
»Es geht nicht anders. Ich muss die Position festlegen. So, wie du von nun an stehen sollst. Dafür zeichne ich einen Kreis um deine Füße, mehr nicht.«
»Kann ich das nicht auch? Bitte!« Sie schlug sich mit den Fingerknöcheln an die Stirn. »Ach, verflucht, ich schäme mich, weil ich mich so schäme. Ihr hättet Euch eine andere suchen sollen.«
»Nein, schon gut«, tröstete er, »ich bin ganz zufrieden.« Das Kreidestück rollte zu ihr. »Wir versuchen es.«
Auf seine Anweisungen hin musste Magdalena niederkauern und die Umrisse ihres rechten Fußes auf die Plane zeichnen. Sie war bemüht, jeden Zeh zu malen, dabei erschien ihre Zungenspitze zwischen den Lippen und die Scheu löste sich. Angespornt durch das Lob, wurden ihre Bewegungen freier.
»Nun setzt du den linken Fuß einen halben Schritt vor. Etwas mehr zum rechten Bein.« Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte er sich auf gleiche Höhe mit ihr seitlich an die Plane. »Ich bin jetzt dein Adam. Nein, schau nicht her, winkle aber das linke Knie etwas an, als wolltest du gleich weitergehen und zu mir kommen.« Er begutachtete ihre Haltung. »Sehr schön. Und nun markiere auch den linken Fuß.«
Kaum beugte sich Magdalena vor, drohte sie das Gleichgewicht zu verlieren, nur ein entschiedener Schwung mit Hüfte und Po bewahrte vor dem Sturz. »So helft mir doch, Herr!«
Seine Miene veränderte sich nicht, wie selbstverständlich trat Meister Til zu seinem Modell, kniete neben dem linken Bein nieder, drückte das Knie noch ein wenig
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