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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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haben länger gebraucht, als ich deinem Mann zugesagt habe. Sicher wartet er schon ungeduldig. Komm rasch!«
Ehe er die Pforte aufschloss, sah sie zu ihm auf. »Darf ich … Ich mein, braucht Ihr mich noch mal?«
Sein Blick wurde streng. »Die Skizzen sind nicht vollständig. Mindestens zwei Besuche haben wir verabredet. Ich hoffe, dein Mann hält sich daran.«
»Ganz sicher.« Das schalkhafte Lächeln kehrte zurück. »Schließlich bin ich die Eva.«
Niemand war im Hof zu sehen, und doch waren die Blicke hinter den Fensterscheiben des Wohnhauses zu spüren. Er brachte sie nur bis ins Dunkel der überdachten Einfahrt. »Denk daran, dass ihr nicht darüber sprecht.« Für einen Moment schloss Til ihre Hand in beide Hände. »Morgen. Ich erwarte dich morgen um die gleiche Zeit. Lebwohl.«
Er wandte sich um und eilte zur Werkstatt zurück.
Aus dem Schutz des Schattens sah ihm Magdalena nach. Wie groß er ist, dachte sie, und doch so fein und freundlich. Eigentlich passt das gar nicht zusammen. Oje, ich glaub, ich bin ganz durcheinander. Unmerklich schüttelte sie den Kopf. »Besser, du denkst erst mal nicht drüber nach.« Als müsste der Ort bewahrt werden, zog sie das Tor nur einen Spaltbreit auf, trat hinaus und schloss es gleich wieder.
Schmerzhaft blendete die Sonne. Abwehrend hob sie den Arm. Da rumpelten Räder übers Pflaster. Gefährlich nah holperte ein hoch beladener Karren an ihr vorbei, fluchend führte der Kramhändler den Ochsen am Maulriemen, sein Hund kläffte und kläffte, für einen Moment überfüllte Lärm die Franziskanergasse, dann bog das Fuhrwerk ab, und Stille blieb. Magdalena wischte sich die Stirn.
»He, Frau. Hier bin ich.«
Beim Klang der vertrauten Stimme atmete sie aus, schirmte die Augen gegen das grelle Licht, nicht weit entfernt sah sie ihren Mann auf der anderen Gassenseite mit der Kappe winken. Sie lief hinüber. »Hast du schon lange gewartet?«
Wortlos setzte Jakob Lebart die Kopfbedeckung auf, nahm ihren Arm und zog sie weiter. Über die Schulter blickte er zum Hof Wolfmannsziechlein zurück und wagte nur leise zu sprechen. »Ich traue den feinen Leuten nicht, auch nicht dem Schnitzer.«
»Das kannst du aber, denn er …«
»Hast du Geld bekommen?«
»Nein. Er braucht mich noch mal.«
Jakob ließ sie los. »Die Hälfte; oder wenn er wenigstens fünf Schillinge gegeben hätte, dann würd ich ihm glauben.« Sein Kinn bebte vor Unruhe. »Und wenn er sich nicht an sein Versprechen hält? O Gott, Frau. Du hättest ihn fragen sollen.«
»Nun sorg dich nicht. Meister Til ist ein guter Mensch.«
Ein Schatten auf dem Pflaster neben ihr, gleich erschien ein schlanker Mann, leichtfüßig eilte er vorbei, nach wenigen Schritten aber wandte er sich jäh um, versperrte den Weg, stemmte beide Fäuste in die Seiten und feixte. »Nein, ich habe mich nicht getäuscht.« Eine biegsame Gestalt, kaum zwanzig Jahre alt.
Die großen Augen richteten sich auf Magdalena.
Kalt wurde ihr. Sie sah die scharfen Punkte im blassen Blau der Pupillen, fühlte, wie der Blick ihr das Kleid an den Brüsten, am ganzen Leib zerschnitt. »Was … was willst du von uns?«
»Etwas von eurem Glück.«
Jakob Lebart hob versöhnlich die Hand. »Aus dem Weg, Freund. Wir haben kein Glück. Heutzutage geht es uns auf dem Land viel schlechter als euch in der Stadt.«
Der Fremde tänzelte auf der Stelle, wich aber nicht zur Seite, dabei umspielten seine Finger den Dolchgriff.
Magdalena spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Zeig keine Angst; das ist nur ein ekelhafter Kerl; und es ist helllichter Tag; und wir sind in Würzburg. Zeig keine Angst.
»Mein Mann hat recht, wir haben nichts.« Sie deutete auf seinen lehmbraunen Überrock, die Kniehosen, die blauen Strümpfe und weichledernen Kuhmaulschuhe. »Du brauchst nichts von uns. Bettler sehen anders aus.«
»Aber du hast wirklich alles, was nötig ist.« Er kicherte vor sich hin, brach ab, und seine Stimme wurde scharf: »Wie viel hat Riemenschneider bezahlt?«
Gleich wollte sich Jakob vor seine Frau stellen, doch sie ließ es nicht zu. »Scher dich weg, Kerl. Sonst schreie ich, bis die Büttel kommen.«
»Aber bitte.« Eine schnelle Armbewegung, und er hatte eine Flöte in der Hand. »Oder soll ich helfen? Ich pfeife euch die ganze Stadt hierher. Seit heute früh hab ich euch beobachtet und weiß genau, was ihr hier treibt.«
»Du …« Magdalena schwieg ertappt und stampfte mit dem Fuß auf. »Verfluchter Kerl.«
»Sag ruhig Hans zu mir. Denn so schnell werdet ihr mich nicht
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