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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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Leuten schlechtgemacht.«
Schweigend verließen die beiden Würzburg, sprachen auch nicht, als sie am Bachlauf das Tal hinaufwanderten. Als das Haus der Schwägerin in Sicht kam, blieb Magdalena stehen. »Meister Til möchte, dass ich morgen wieder hinkomme. Aber ich gehe nicht.«
»Aber du musst, Frau.« Jakob nahm die Kappe ab und wischte sich damit den Nacken. »Wir brauchen das Geld.«
Ihre Stimme wurde fester: »Auch ohne den Gulden geht es weiter.«
»Geplant haben wir, wollten die Schulden ans Kloster bezahlen, wollten das Dach ausbessern, und einen neuen Pflug wollten wir … So schön war es, Frau, daran zu denken, und nun wird das Elend noch schlimmer.«
»Sag das nicht. Wir schaffen es schon. Aber ich kann dem Meister nicht noch mehr antun, deshalb bleib ich hier. Den Adam hat er fertig. Und für die Eva reicht es ihm bestimmt, weil er sich gut auskennt mit mir. Das weiß ich.«
Erst spät am Abend kehrte Hans Bermeter ins elterliche Haus nahe dem Judenkirchhof zurück. Kaum vermochte er die Hintertür aufzuschieben, er tappte durch den dunklen Flur, auf der Stiege musste er zweimal stehen bleiben, erstickte das Stöhnen im Wamsärmel und horchte, unvermindert laut drang das Schnarchen des Vater aus der Schlafstube. Ihn zu wecken hätte erneutes Übel heraufbeschworen, Fragen, Vorwürfe, vielleicht sogar Stockhiebe …
Mühsam schleppte sich Hans Bermeter weiter. Oben in seiner Dachkammer drehte er die Öllampe höher. »Verfluchter Tag«, zischte er durch die Zähne. Das sonst stets spöttisch überlegene Grinsen war erloschen. Jede Bewegung schmerzte.
Aus dem Wamsärmel zog er Stücke seiner zerbrochenen Holzflöte und ließ sie vor der Wand zu Boden fallen, an der seine übrigen Instrumente hingen, Trommel, Laute und die große Flöte. »Na und? Dann besorg ich mir eben eine neue.« Behutsam nestelte er die Kleider vom Leib, versuchte auch Strümpfe und Schuhe abzustreifen, weil aber schon das leichte Vorbeugen ihm einen Schrei abrang, verzichtete er darauf. Nackt bis hinunter zum Knie, trat er vor den Spiegel. »Diese verdammten Kerle.« Im flackernden Schein betastete er die dunkel angelaufenen Striemen an Schultern und Armen; auf Bauch und Brust prangten dicht an dicht blaugrün verfärbte Flecken. »Das werd ich euch heimzahlen. Wartet nur ab.« Er griff nach einem Lappen, nässte ihn in der Waschschüssel und kühlte die Schwellungen.
In der Nacht zuvor hatte er oben auf der Burg ungewohntes Pech beim Würfelspiel gehabt. Dieser Ritter gehörte zu einer Delegation des Bistums Eichstätt und war ein zäher Gegner gewesen. Der Plan, ihn mit Wein abzufüllen, um leichter an sein Geld zu kommen, schlug fehl. Im Gegenteil, je mehr der Gast seiner Eminenz Fürstbischof Rudolf von Scherenberg trank, umso genauer zählte er die Wurfaugen. Bermeter hatte jeden Schilling verloren. »Noch ein letztes Spiel. Um den ganzen Topf.«
»Das kostet dich eineinhalb Gulden. Wo ist dein Einsatz?«
»Geld hab ich keins mehr.«
»Du bist nur eine Hofratte, frisst was vom Tisch gefallen ist.« Der Ritter lachte und trank. »Und du wagst es, einen Mann wie mich zum Würfelspiel herauszufordern. Bei mir zu Hause …«
»Ich setze eine Frau.«
Das Gelächter brach ab. »Wie meinst du das?«
Bermeter schnippte mit den Fingern. »Bei meiner Ehre. Wenn ich verliere, lege ich Euch morgen eine junge Frau ins Bett.«
»Du meinst, hier in meiner Kammer? Hier oben, wo hinter jeder Ecke ein Kuttenkittel weht?«
»Aber ja. Ich verstehe mich auf solche Dienste.«
»Seit ich von Eichstätt weg bin, hab ich kein Weib mehr gehabt. Morgen ist unsere letzte Nacht. Ja, einverstanden, Hofratte.« Der Ritter rief seine beiden Knappen als Zeugen. Kräftige Kerle mit kantigen Gesichtern und kaltem Blick.
Bermeter hatte die beinernen Glücksbringer angehaucht, zwischen den Händen gerieben und doch nur drei niedrige Zahlen geworfen, die geforderte Fünf war nicht einmal dabei. Keinen Punkt durfte er sich mit Kreide gutschreiben. Lange hatte sein Gegner den erhobenen Lederbecher geschüttelt und ihn dann mit Wucht auf die Tischplatte gestülpt. »Drei Fünfer. Das ist ein großer Bock. Jetzt schuldest du mir eineinhalb Gulden oder bringst mir ein Weib. Morgen. Du hast Zeit bis Sonnenuntergang.«
Das war gestern gewesen.
In der Dachkammer drehte sich Hans Bermeter zur Seite. Auch über den Rücken zogen sich dicke Striemen. Seine Lippen wurden schmal. »Schuld hat dieses Weib. Und auch der Schnitzer.«
Spielschulden waren für ihn noch nie Grund
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