Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
dünn«, verbesserte er.
»Was?«
»Gut sind sie schon, aber sie sind mir zu dünn.« Meister Til wandte den Kopf und sprach ins Halbdunkel zu dem hellen Fleck des Nachthemdes. »Nur deshalb hab ich den Gesellen genommen. Der Tobias, der ist so ein Adam, so wollte ich den Körper haben.«
»Und was ist an diesem Weib besser? Was hat sie, was du nicht auch bei mir sehen kannst? Sag es mir.«
»Du bist …« Gerade noch rechtzeitig stockte er. »Weißt du, so eine Eva. Also, ich glaube nicht, dass der Schöpfer bei der Erschaffung der Menschen gleich solch eine reife Frau … Ich will sagen, dass du mir eine gute Frau bist, aber für die Eva …«
»Sag es doch! Ich bin zu fett.« Sie rutschte zur unteren Bettkante, der Nachttopf schepperte, es kümmerte Anna nicht, mit bloßen Füßen stampfte sie um das Lager herum, neben Til hielt die mächtige Gestalt an. »Ausreden! Mal zu dünn, dann wieder zu alt und zu dick. Ich sag dir was, Mann: Schlecht ist es, was du heute vorhast, und eine Sünde.« Sie stieß die Tür auf und schlug sie hinter sich zu. Von draußen hörte Til noch: »Jawohl, eine Sünde.«
Das morgendliche Unwetter war vorüber. »Besser jetzt als nachher, wenn Magdalena da ist.«
Er stand auf, in wenigen Schritten war er am Fenster, schob es hoch und öffnete mit beiden Händen langsam die Schlagläden. Licht flutete. »Willkommen.« Tief einatmend begrüßte er den klaren Morgen und kämmte mit den Fingern seine volle kupferfarbene Lockenmähne hinter die Ohren zurück. Unter ihm lag die Franziskanergasse noch im Schatten; auf den niedrigen Dächern gegenüber aber ließ die frühe Sonne den Tau funkeln. »Willkommen.« Dieser Gruß galt nicht dem Tag. Als es ihm auffiel, stahl sich wieder ein Lächeln in die Mundwinkel. »Ich gestehe es ja: Ich freue mich wirklich.«
Magdalena. Letzte Woche hatte er wieder das Pferd gesattelt, zum dritten Mal nun schon im April. »Will nach unserm Weinberg sehen«, so hatte er sich von Anna verabschiedet, »und danach auf dem Land ein wenig freie Luft atmen.«
Erneut eine Ausrede, doch wie die beiden Male zuvor bemerkte es seine Frau nicht. Zu sehr war sie mit Haus und Kindern beschäftigt. Kurzatmig flocht sie der gemeinsamen siebenjährigen Tochter Gertrud die Zöpfe und sah nur flüchtig über die Schulter. »Der Ritt wird dir guttun. Bei all dem Staub in der Werkstatt wirst du noch krank.« Und weil sie niemanden, ob nun Mann, Kind oder Geselle vom Hof Wolfmannsziechlein fortlassen konnte, ohne ihm einen Auftrag zu erteilen, setzte sie hinzu: »Aber bring uns einen Korb frisches Gras für die Hasen mit. Das vom Weinberg, das fressen sie so gern.«
Er war zum Hauger Tor in den Tag hinaus geritten. An den Rebstöcken brachen die Knospen auf, zeigten ihr Hellgrün der Sonne. »Ich hoffe auf einen guten Sommer. Für den Wein und auch für mich.« Keinen Blick verschwendete er fürs Hasenfutter und lenkte das Pferd weiter. »Bis zur Lese muss ich meinen Auftrag erfüllt haben.«
Heute nahm er sich vor, dem großen Lehnshof nahe Unterpleichfeld einen Besuch abzustatten. Oben auf der Höhe ließ er das Pferd traben. Seine Eva wollte er finden; eine, die unschuldig war oder wenigstens so aussah. »Unter den heiratsfähigen Jungfrauen in der Bürgerschaft gibt’s bestimmt die eine oder andere.« Er rundete die vollen Lippen und schüttelte den Kopf. Allein schon die Frage wäre ein unsittlicher Antrag und hätte in Würzburg einen Skandal ausgelöst.
»Welch eine Ehre. Der berühmte Bildschnitzer in meinem Haus.« Freundlich wurde er vom Verwalter begrüßt und bewirtet. Nur zu gern ließ sich Meister Til herumführen, lobte die Sauberkeit von Küche und Stallungen, während er unauffällig die Mägde betrachtete. Keine jedoch entsprach seiner Vorstellung.
Auf dem Rückweg durchs benachbarte Tal nagte Zweifel an ihm. »Du willst zu viel. Der Fehler liegt bei dir. Eva ist nicht unschuldig. Das ist es.« Gleich kamen ihm die Dirnen in Paulsen Wolfs Haus in den Sinn. »Für Geld stellt sich mir jede von denen zur Verfügung.« Nein, Gott bewahre, so eine darf ich meinem Adam nicht geben.
Ratlos, in Gedanken versunken, ritt er an einem ärmlichen Gehöft vorbei. Hühner flüchteten, ein Hund kläffte den Reiter an. Kaum nahm er es wahr. Hinter dem kleinen Haus führte der Weg wieder dichter am Bach entlang. Das klatschende Geräusch ganz in der Nähe schreckte ihn auf. Mit dem Rücken zu ihm stand eine Frau im seichten Wasser und schlug die Wäsche. »Gott zum Gruß.«
Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher