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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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wohl gerne den Doktor nehmen. Wenn er nur wollte …« Und Martin war einverstanden gewesen. Doch nicht aus jäh erwachter Leidenschaft oder gar Hingabe. Dem Vater zuliebe. Vor Wochen hatte der Reformator auf einer Reise durchs Bauernkriegsgebiet in Mansfeld den Eltern einen Besuch abgestattet. Nach dem Tod der beiden Brüder baute Hans Luther nun ganz auf ihn. »Sohn, heirate und sorge für Kinder, auf dass unser Familienname nicht untergeht.« Martin dachte an die Enttäuschung, die er dem Vater vor mehr als zwanzig Jahren mit seinem Klostereintritt bereitet hatte. Nun wollte er ihn aussöhnen.
Noch ein zweiter Grund hat ihn bewogen. Nach seiner Zornschrift gegen die mörderischen Rotten der Bauern, rechnet Martin mit deren Rache, fürchtet er um sein Leben. »Ich will dem Vater eine Freude bereiten und dem Teufel noch ein Schnippchen schlagen. Ehe alles zu Ende geht, will ich ihm zum Trotz meine Käthe noch zur Ehe nehmen. Ich lasse mir doch meinen Mut und meine Freude nicht verderben …« Nach der Trauung legen sich Martin und Katharina unter den Augen der Zeugen nebeneinander aufs Ehebett, so wie es die Sitte vorschreibt.
Seine Feinde schäumen. »Jetzt, da durch den Aufstand der Bauern die ganze Weltordnung zu zerbrechen droht, hat der elende Mönch nichts Eiligeres zu tun, als eine herumstreunende Nonne auf sein Lager zu zerren …« Das Gezischel ist unüberhörbar: »Ein Balg aus solch frevelhafter Vermählung wird ein zweiköpfiges Monster …«
Nichts davon trifft ein. Katharina bringt einen gesunden Sohn zur Welt und schenkt in den darauffolgenden Jahren noch fünf weiteren Kindern das Leben. Die Ehe mit »seinem Herrn Käthe«, wie Martin bald schon voller Respekt und Zuneigung seine Frau bezeichnet, beschert ihm neben all den Kämpfen für die Reformation ungeahntes Glück. Und so formuliert er später den Satz, den ihm Frau Cotta damals in Eisenach zuflüsterte, mit Augenzwinkern um: »Gottes schönste Gabe für den Mann ist, ein fromm’ und freundliches, gottesfürchtig’ und häusliches Weib zu haben …«
Am 12. August 1525 ist das Volk von Laufenburg früh auf den Beinen. Schweigend scharen sich die Bürger um den Richtplatz. In der Mitte kniet Hans Müller von Bulgenbach, die Hände gebunden. Vierzig Tage und Nächte im Kerker, vierzig lange Tage hatte er Verhöre und Folter ertragen müssen. »Ja, ich habe gekämpft für eine wahrhaft christliche Vereinigung und Bruderschaft. Nein, ich bereue nichts.«
Breitbeinig baut sich der Scharfrichter hinter dem Verurteilten auf. Seine Henkersknechte zerreißen das Hemd. Der Rücken ist gezeichnet von der Folter. Ein Knecht greift nach dem Halstuch.
»Nicht. Lass es mir«, bittet Hans leise.
»Was willst du noch mit dem Tuch?«, flüstert der Kerl ihm ins Ohr und feixt: »Ohne Hals?« Hans Müller von Bulgenbach schließt die Augen. Damals im Zelt nahe Waldshut … Damals? Das war Ende Januar. Vor nur sieben Monaten hatte alles begonnen, und doch war es eine Ewigkeit her. Joß Fritz ermutigte ihn zum Kampf, und ehe er entschwand, hinterließ er dem Hauptmann der Schwarzwälder Bauern sein Tuch mit dem aufgestickten H. Bei jeder Schlacht, bei jeder Belagerung trug es Hans Müller. Das alte Erkennungszeichen der Bundschuhführer war zu seinem Glücksbringer geworden. Mit ihm gewann er Bruchsal, die Burg von Obergrombach, und nicht zuletzt konnte er Freiburg zur Kapitulation zwingen. Er hatte mit seinen Haufen all die Anfangsziele erreicht, von denen Joß Fritz träumte, um die Empörung im ganzen Land aufzurichten. Zum blutigen Ende aber musste auch er sich der Übermacht des österreichisch-bündischen Heeres geschlagen geben.
»Sag dein Gebet!«
»Vater unser …« Die Stimme dringt in die Herzen der Zuschauer. Männer nehmen die Kappen ab, Frauen weinen. Dann fällt der Kopf.
»Nein, ich habe den Bauernaufruhr nicht verschuldet«, beteuert Götz von Berlichingen am Ende des Sommers 1525 vor dem Schlachtherrn Georg Truchsess von Waldburg. »Nichts habe ich getan. Verflucht, das ist die Wahrheit.«
Auf dem Reichstag zu Speyer im Jahre 1526 schlägt er die eiserne Faust immer wieder gegen die Brust. »Die unseligen Bauern haben mir die Führung aufgezwungen. Ich musste annehmen, weil meine Familie bedroht war. Ich bin kein ehrendiebischer Bösewicht. So glaubt mir doch, werte Herren.«
Nach einigem Zögern glaubt das Reichskammergericht dem Ritter, es erklärt ihn am 17. Oktober für schuldlos. Götz atmet auf und kann mit den beiden Dienern nach Hornberg
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