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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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erst kurz vor der Bank stockte Magdalena, vermochte nicht weiterzugehen. Er lehnte da, den Kopf wie im Schlaf zur Seite geneigt, die Lippen leicht geöffnet. Seiner Hand war der Stock entglitten. In unendlicher Ruhe trug die Schnecke ihr Haus über seinen rechten Oberschenkel, war auf dem Weg nach vorn zum Knie.
Magdalena fühlte die fremde Stille. Ein Zittern stieg in ihr auf. Hilfesuchend streichelte sie den Kopf des Jungen. »Doch«, flüsterte sie und musste ihn an sich drücken. »Doch, er hat sich gefreut. Ich weiß es.«

Epilog

E he sie in der Erinnerung verwehen, kehren wir noch einmal zurück in das Schicksalsjahr 1525. Die entscheidenden Schlachten sind für die Bauern verloren gegangen. Bei Königshofen starben am 4. Juni mehr als 4000 Männer. Am Pfingstsonntag, dem 6. Juni, ließen nahe Ingolstadt und Iphofen in einer einzigen Stunde erneut mehr als 4000 Männer ihr Leben. Mit ihnen erstarben dort für lange Zeit auch alle Hoffnungen, alle Pläne und Ideen für ein besseres Miteinander zwischen oben und unten.
Noch ist die Erde getränkt vom Blut der Tapferen. Überall im Land wird nach den entkommenen Hauptleuten gefahndet. Hohe Kopfgelder sind ausgesetzt.
Florian Geyer meidet die Fahrstraßen, spät ist er von Rimpar aufgebrochen. Ein Knecht des Ritters von Grumbach begleitet ihn über verschwiegene Pfade in Richtung Giebelstadt. Gleich nach der Niederlage, nach der völligen Vernichtung seiner Schwarzen Schar, hatte er sich zur Burg seines künftigen Schwiegervaters durchgeschlagen und ihn um Schutz und Obdach gebeten.
Doch Wilhelm von Grumbach wand sich, zögerte und lehnte schließlich ab. »Du wirst gesucht. Jederzeit können die Schergen des Fürstbischofs hier auftauchen. Dich zu beherbergen bedeutet Gefahr für uns alle. Bitte hab Verständnis, aber unser guter Ruf …«
Und Florian hatte verstanden. Nicht einmal Barbara, seine Braut, war zum Abschied erschienen.
Jenseits der Felder hebt sich düster der Gramschatzer Wald gegen den noch hellen Abendhimmel. Der Junker deutet hinüber. »Lass uns im Schutz der Bäume eine kurze Rast einlegen.« Hinter seinem Rücken blickt sich der Knecht um. Kein Verfolger ist in Sicht, kein Gehöft in der Nähe.
Am Rande einer Lichtung steigt Florian müde aus dem Sattel. »Durst. Bring mir Wasser!«
»Gern, Herr. Gleich, Herr.« Sein Begleiter reicht ihm den gefüllten Lederschlauch, er lächelt. Während Florian ansetzt, gierig das Wasser aus dem Hornstück saugt, stößt ihm der Knecht den Dolch zwischen die Eisenplatten des Brustpanzers.
»Warum, Freund …?«
Der Mörder reißt den Schwertarm seines Opfers nach hinten und treibt ihm den Stahl in die Kehle. Kein Laut mehr, schmerzvoll der Blick, so sinkt Florian Geyer in die Knie, doch er wankt, fällt nicht. Dem Knecht dauert das Sterben zu lange, erneut sticht er auf ihn ein, wieder und wieder …
Wilhelm von Grumbach hatte seine Fahne nach dem Wind gehängt. Zu Beginn der Unruhen hielt er es mit den Bauern, gab seine Schwester sogar dem edlen Hauptmann Florian Geyer zur Braut, kaum aber hatte sich das Glück gewendet, kaum siegten Adel und Kirche, schwenkte der Ritter aus Rimpar wieder um. Jetzt galt es, dem Fürstbischof Konrad einen Treuebeweis zu geben. Und so opferte Wilhelm von Grumbach den Junker aus Giebelstadt …
» … Bis dass der Tod euch scheidet.« Die Ehe ist geschlossen. Im Kloster zu Wittenberg lächeln die Trauzeugen am 13. Juni 1525 dem Brautpaar zu, während der Pfarrer den Segenswunsch spricht. Der ehemalige Mönch hat die aus ihrem Zisterzienserkloster entflohene Nonne geheiratet. Katharina von Bora.
Mit acht ihrer Mitschwestern hatte sie schon zwei Jahre zuvor den Schritt hinaus gewagt. Nicht zuletzt, weil sich der große Martin Luther um sie sorgen wollte. Und er hatte Wort gehalten, einige der Jungfrauen konnten zu ihren Verwandten zurückkehren, andere gelangten rasch in den Hafen der Ehe. Nur eine blieb übrig: Katharina. Sie war aus gutem Haus, war gebildet, mit Anmut jedoch hatte die Natur sie nicht beschenkt. Obwohl Martin sich immer wieder aufs Neue bemühte, einen Ehemann zu finden, sein Werben blieb erfolglos. Selbst der treue Freund Nikolaus von Amsdorf, der ihn auf den Reichstag zu Worms begleitet hatte, der den Scheinüberfall nahe Möhra miterlebt hatte, selbst er weigerte sich, wollte lieber zeitlebens Junggeselle bleiben. Nun ergriff Käthe die Initiative. »Und wenn es nicht der Herr Amsdorf sein kann«, entschied sie nüchtern für sich selbst, »dann würde ich
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