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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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betrogen haben wir. Als Hans verhaftet wurde, bin ich sofort geflohen. Bin gar nicht mehr in die Herberge zurück, und das hat mich gerettet.«
»Wenigstens beschönigst du nichts.« Die Ehrlichkeit beeindruckte. »Ahnst du, wie viele ehrbare Männer durch euch Aufrührer damals ins Unglück gestürzt wurden?«
»Es tut mir leid, Herr. Von Mutter habe ich vorhin erfahren, welche Qual Ihr erleiden musstet. Und mich … mich trotzdem nicht verraten habt.« Zum ersten Mal wagte er, wieder aufzusehen, offene Reue füllte seinen Blick. »Es tut mir so unendlich leid, Herr. Was würde ich darum geben, wenn ich es ungeschehen machen könnte.«
Die Prüfung war noch nicht abgeschlossen. »Vor drei Jahren ist Bermeter für seine Schandtaten hingerichtet worden. Warum bist du nicht früher zurückgekommen?«
»Aus Angst, Herr, und … und Scham. Ich wollte mir erst beweisen, dass ich doch zu was tauge. Nicht weit von Schweinfurt habe ich bei einem Gutsherrn gedient, als Knecht.«
»Die ganzen Monate über?« Nachdenklich forschte Til in dem gebräunten Gesicht, schließlich bat er leise: »Zeig mir deine Hände, Junge.« Und er fühlte die harten Schwielen. »Ich glaube dir. Ja, du hast meine Erlaubnis, mit uns unter einem Dach zu wohnen.«
»Danke, Herr. Ich … ich werde Euch nie …« Vor Glück und Erleichterung stampfte Florian mit den Füßen auf der Stelle. »Nie werde ich Euch mehr enttäuschen.«
Til schmunzelte über die unbeholfene Freude. »Hör zu, junger Mann. Ehe ich dich zu deiner Frau und meinem Enkel entlasse: Du wirst für mich arbeiten, und zwar dort, wo du angefangen, dann aber alles im Stich gelassen hast. Der neue Weinberg. Für ihn bist du ab morgen verantwortlich.«
»Darf ich jetzt …?« Florian zeigte zum Haus.
»Nein, warte noch.« Der Meister legte ihm die Hand auf die Schulter. »Mein Enkel sagt Großvater zu mir. Du darfst wählen zwischenHerr und Schwiegervater oder einfach nur …« Anstatt den Satz zu beenden, lächelte Til. »Und nun geh hinein!«
Florian nahm die drei Stufen mit einem Satz, erst im Flur wagte er zu jubeln.
Welch ein guter Tag! Magdalena blieb etwas hinter den beiden zurück, sie hob das Gesicht der Sonne entgegen, atmete tief die weiche Luft. Ein Tag, um im Gras zu liegen und einfach den Wolken nachzuschauen oder mit dem Liebsten … Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. »Mich wundert wirklich, dass diese Wünsche nicht irgendwann aufhören. Ganz gleich, wie alt ich bin, da sind sie immer noch …«
Liebevoll betrachtete sie vor sich das Paar. In lebhaftem Gespräch spazierte dort der große Til mit dem kleinen Til. Der Fünfjährige zog seinen Bollerwagen mit dem Eimer und der kurzen Feldhacke. Neben ihm schwang der Meister den Wanderstock. Wenn auch sein Rücken leicht gebeugt ist, dachte sie, die Schritte nicht mehr so lang sind, mein Herz merkt das einfach nicht. Magdalena schloss wieder zu den beiden auf.
» … also, ich sage dir den Spruch noch einmal vor: Kilian, der heilige Mann, stellt die besten Schnitter an.«
»Kilian, der heilige Mann …« Der kleine Til sah auf. »Warum ist der Kilian unser Pater?«
»Unser Schutzpatron. Er beschützt das Frankenland, und weil er ganz früher den Menschen den rechten Glauben gebracht hat und ihnen …« Trockener Husten unterbrach den Großvater, es dauerte, bis er wieder sprechen konnte. »Er hat ihnen gezeigt, wie sie das Feld besser bestellen und wie sie guten Wein anbauen können. Deshalb feiern wir morgen seinen Gedenktag. Und bis dahin solltest du den Spruch können.«
»Kann ich doch schon.« Ohne Vorwarnung rannte der Junge los, der Wagen holperte, Eimer und Hacke sprangen, weiter vorn, dort, wo der schmale Weg hinauf in die Weinberge abbog, blieb er stehen und rief den Großeltern durch den Trichter der Hände gleich zweimal hintereinander die Bauernregel entgegen.
Anerkennend klatschte Magdalena Beifall, dann ergriff sie den Arm des Meisters: »Ihr hustet wieder schlimmer.«
»Sorg dich nicht!« Er tätschelte ihre Hand. »Oben am Lindleinsberg wird mir die Sonne guttun.«
»Vielleicht hätten wir auf den anstrengenden Weg verzichten sollen?«
»Nein, es geht schon. Ich freue mich immer wieder, unseren jungen Weinberg zu sehen. Und außerdem will Florian gelobt werden, das habe ich heute Morgen gespürt, als er von seinen Rebstöcken sprach und wie gut der Fruchtansatz in diesem Jahr ist.« Til musste Atem schöpfen, ehe er weitersprechen konnte. »Und er hat das Lob verdient. Seit mehr als einem Jahr
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