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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider
Autoren: Tilman Röhrig
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mehr los.« Er kratzfußte spöttisch. »Hans Bermeter, der Spielmann, mit den besten Verbindungen. Nicht nur hier unten in der Stadt.« Die Flöte wies über den Main hinauf zur Marienburg. »Die frommen Herren und Adligen da oben lassen sich gerne von mir den Wein einschenken, noch lieber aber nehmen sie meine diskreten Dienste in Anspruch.«
Jakob Lebart ergriff den Arm seiner Frau. »Hör gar nicht hin.« Weil der Weg nach vorn versperrt blieb, wollte er zurück, in die andere Richtung. Halb schon abgewandt, entschuldigte er sich bei dem Spielmann: »Sei nicht böse. Aber bei uns ist Weineinschenken keine Arbeit. Und wir wissen auch nicht, was für Dienste du meinst. Besser du erzählst davon jemand anderem, der mehr davon versteht.«
In federnden Schritten war Bermeter an dem Paar vorbei und stellte sich erneut in den Weg, gleich setzte er einen Fuß vor, schob sich näher an Magdalena heran. »Du bist ein schönes Weib. Ich könnte vergessen, was du bei unserm berühmten Schnitzer getrieben hast, wenn du für mich arbeitest.« Sein Atem roch nach schalem Wein.
Angeekelt bog sie den Oberkörper zurück, dann erst begann sie zu ahnen, was er meinte, kam jedoch nicht zu Wort, schon rieb er vertraulich Daumen und Zeigefinger unter Jakobs Nase. »Und dein Schade wäre es nicht. Ganz gleich, was der Schnitzer dir bezahlt. Meine Prälaten und Höflinge da oben geben das Doppelte. Da fällt für mich und auch für euch genug ab. Du lieferst dein Weib, und ich knüpfe die Verbindungen.« Jetzt schnippte Bermeter. »Ein gutes Geschäft.«
Zunächst vermochte der Bauer nur fassungslos den Kopf zu schütteln, die Kinnlade war ihm gesunken, endlich fand er Worte. »Du … du bist schlechter noch als die Steuerknechte vom Kloster … Meine Frau … Ja, arm sind wir, aber so tief werden wir nie sinken …«
»Ach, ach, hör auf mit den Lügen.« Vergnügt lachte ihm der Spielmann ins Gesicht. »Da kommt ein Bäuerlein gleich beim Öffnen der Tore mit seinem Weib nach Würzburg. Und das an einem gewöhnlichen Dienstag. Nein, er hat keinen Karren oder Sack dabei, keine Kiepe. Also dachte ich mir: Kaufen will er nicht und verkaufen auch nicht. Tatsächlich: Er geht nicht einmal auf den Markt, nicht zum Fischmarkt, nicht in die Domstraße, stattdessen aber liefert er sein schönes Weib beim Hof Wolfmannsziechlein ab.«
Magdalena hatte begriffen, ihre Augen sprühten, sie drohte mit beiden Fäusten. »Wag es nicht … Besucht habe ich den Meister. Jawohl, einen Besuch hab ich gemacht. Nichts sonst.«
»Na, ausgezogen hast du dich.«
»Woher weißt du das …?« Entsetzt hielt sie inne. Gleich hämmerte das Herz. Verraten, du hast dich verraten. Blutrot stieg ihr die Hitze ins Gesicht.
»Jetzt weiß ich es.« Schnell ließ er die nasse Zungenspitze an den Schneidezähnen hin und her schlagen. Das Geräusch schmerzte ihr in den Ohren. Bermeter nutzte den Sieg. »Du kannst dich nennen, wie du willst, in Wahrheit bist du eine Hure. Und das gefällt mir. Jetzt kommen wir doch ins Geschäft …«
»Du verdammter Kerl!« Magdalena war bei ihm, ohrfeigte Bermeter mit aller Kraft. »Nichts weißt du! Gar nichts!«
Er wich nicht einmal zur Seite, nahm die Schläge hin, verhöhnte sie weiter.
»Warum hast du dich wohl sonst ausgezogen? Na, sag es mir. Sag’s doch, du Hure.«
»Weil …« Die Enge wurde zu groß. »Weil er mich gezeichnet hat, deshalb! Weil ich sein Modell bin …« Sie brach ab, aber zu spät. Magdalena wusste, längst war es zu spät.
Die Lider halb geschlossen, verharrte Bermeter einige wenige Atemzüge, dann tänzelte er Schritt für Schritt rückwärts. »Auch nicht schlecht. Unser gottesfürchtiger Riemenschneider lockt eine arme junge Frau in seine Werkstatt. Sie muss sich nackt vor ihn hinstellen, und er zeichnet sie. Er nimmt sich ein lebendes Modell für die Heilige Jungfrau.« Der Blick griff noch einmal nach Magdalena. »Nein, es ist die Eva. Das ist sein Auftrag. Natürlich, er hat dich für die Eva gebraucht. Da wird sich aber der Stadtrat freuen, auch die Herren vom Domkapitel werden Augen machen. Einen Skandal will keiner. Mal sehen, wie viel ihnen mein Schweigen wert ist.« Vergnügt kratzfußte der Spielmann wieder. »Danke. Es war mir ein Vergnügen mit euch beiden. Und nichts für ungut.« Er schlenderte in Richtung Fischmarkt davon.
Magdalena sah ihm nach, die Schultern sanken, helle Tränen liefen ihr über die Wangen, sie suchte nach Jakobs Hand. »Ich hab alles verdorben, jetzt wird die Eva vor allen
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