Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
Vom Netzwerk:
zur Strafe die nächsten drei Kakaoernten in Südamerika ins Wasser fallen, und dann kann man Schokolade vor lauter Knappheit irgendwann nicht mehr bezahlen.
    Wir hörten den Mommsen unverständlich ins Telefon murmeln. Wir sahen ihn lauschen und nicken, dann murmelte er noch irgendwas, legte auf und kam zurückgeschlappt.
    Â»Polizei kommt. Sonst noch was?«
    Â»Ich glaube, ich hab’s gerade ein bisschen an den Nerven«, sagte ich. Ich konnte leider gar nichts dagegen machen und bloß hoffen, dass in Südamerika weiterhin die Sonne schien.
    Mommsens Kirschaugen sahen aus, als füllten sie sich langsam mit Wasser. Er drehte sich um und schlurfte zur Kommode zurück. Oskar starrte ihm mit gerümpfter Nase nach. Der Mommsen kam mit einer Tafel Nussnugat wieder, die er mir in die Hand drückte.
    Â»Hier.«
    Â»Danke.«
    Â»Du auch was?«, wandte er sich an Oskar.
    Â»Sie sollten weniger trinken«, sagte Oskar. »Wenn Sie den Alkohol, den Sie jeden Tag konsumieren, in Reinform zu sich nehmen würden, dann –«
    Â»Klappe!«, schnappte der Mommsen. »Kümmer dich lieber um deinen geistesgestörten Vater, bevor du anderen Leuten erzählst, wie viel sie zu trinken haben!«
    RUMMS!
    Oskar starrte die Tür an. Sein Gesicht war blass und seine Ohren knallrot. Ich wollte nicht, dass er ausrastete, also kruspelte ich schnell die Tafel Schokolade auf und brach sie in kleine Stückchen.
    Â»Magst du?«
    Â»Nein.«
    Ich überlegte, wie ich ihn sonst ablenken konnte. »Sollen wir bei Fitzke eine Trauerwache machen oder wie das heißt?«
    Â»Nee. Oder doch. Okay.«
    Er ging nach oben. Besser gesagt, er rannte. Machte auf dem Absatz kehrt und stürmte los, aber nur bis in den Zweiten. Ich kam kaum hinterher, weil ich die vielen Schokoladenstückchen balancieren musste, damit sie mir nicht aus den Händen fielen.
    Â»Bin gleich wieder da«, rief er über die Schulter und verschwand in seiner Wohnung. Ich dachte schon, er würde mit Lars wieder rauskommen. Aber er kam ohne ihn zurück, dafür allerdings mit einer gestrickten Bommelmütze auf dem Kopf. Sie war hübsch bunt gemustert. Es gab eine rote Bommel für obendrauf und zwei an sehr langen Bändeln, die von den Ohrenklappen runterhingen. Wie alles, was Oskar sich auf den Kopf setzt, war die Mütze zu groß. Und wie immer sah es völlig beknackt aus.
    Â»Fertig«, sagte er.
    Was sollte man da sagen? Wenn Oskar sich tarnt, geht es ihm nicht gut. Nachdem er letzten Oktober mit Lars hier eingezogen war, hatte er noch eine Weile die Sonnenbrille vom letzten Jahr getragen, ungefähr bis Silvester. Danach hatte er keine Tarnung mehr gebraucht, das ganze Jahr bisher nicht. Und jetzt ging es wieder los und ausgerechnet mit so einer dämlichen Bommelmütze!
    Â»Hat meiner Mutter gehört«, sagte Oskar auf meinen fragenden Blick. Er zupfte an einer der Bommeln. »Aus Peru. Echt Lama.«
    Als Jule noch in der Dieffe 93 wohnte, hatte sie mal mit einem Peruaner rumgeknutscht. Deshalb kannte ich Peru aus dem Atlas, es ist ein Land in Südamerika. Was ein Lama war, wusste ich auch. Man darf es nicht mit Lima verwechseln, das ist die Hauptstadt von Peru.
    LAMA
: Säugetier mit innen Spucke und außen Wolle. Die Spucke ist für Feinde und die Wolle für Bommelmützen. Außerdem gibt es noch einen freundlichen kleinen Mann mit Brille, der heißt Dalai Lama und kommt aus Tibet in Asien. Es ist keine Wolle an ihm dran, aber vielleicht kann er ja auch total weit spucken. Womöglich bis Lima.
    Wir stiefelten das Treppenhaus hoch. Die neue Wohnung im Dachgeschoss ist wirklich super, aber der Weg bis ganz oben ist nicht von Pappe. Über hundert Stufen. Womöglich war Fitzke gestorben, weil der Aufstieg in den Vierten ihm zu anstrengend gewesen war. Oskar und ich hielten Totenwache bei ihm, bis die Schokolade alle war. Wir saßen nebeneinander auf der Treppe und guckten die Leiche so lange an, bis ich fast wieder heulen musste. Wenn da so gar kein Atem mehr aus einem rauskommt …
    Â»Ich glaube, er hatte kein glückliches Leben«, sagte ich.
    Â»Doch, hatte er.« Oskar guckte den Fitzke nachdenklich an und zupfte dabei ständig an seinen Bommeln. »Und ich sag dir auch, warum: Es gibt Leute, die sind nur glücklich, wenn sie unglücklich sind.«
    Â»Und Fitzke war so einer?«
    Â»Auf jeden Fall.«
    Â»Müssen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher