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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
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wir das der Polizei sagen?«
    Â»Nee. Er hat sich ja nicht umgebracht.«
    Â»Sollen wir in unserer Wohnung auf sie warten? Auf die Polizei, meine ich.«
    Â»Okay.«
    Als wir die letzten Stufen in den Fünften nahmen, begann hinter unserer Tür ein aufgeregtes Kläffen. Porsche hasst es, wenn er allein gelassen wird, aber ich kann ihn auch nicht ständig mitnehmen, schon gar nicht ins Förderzentrum, auch wenn er dort echt noch was lernen könnte.
    Â»Da liegt was«, sagte Oskar über das Gekläffe aus der Wohnung hinweg. Er streckte einen Finger aus.
    Ich hatte es im selben Moment gesehen wie er. Auf unserem Herzlich willkommen!- Schuhabtreter lag ein dickes Buch mit abgewetztem grünem Einband und darauf ein handgeschriebener Zettel, beides mit einem Stein beschwert, der gerade mal so groß war wie ein Ei von einem Liliputaner-Huhn. Ich steckte ihn in die Hosentasche und las den Zettel vor.
    Doretti, mit mir geht’s zu Ende. Du kriegst alle meine Steine, das habe ich im letzten Sommer testamentarisch verfügt (Adresse Anwalt unten). Die Sammlung ist mein Lebenswerk, also pass gefälligst darauf auf. Näheres dazu findest du im Journal. Ich hoffe, ich habe mich nicht in dir getäuscht.
    Gustav Fitzke
    PS: Glaub bloß nicht, nur weil ich bald ins Gras beiße, würde ich mich jetzt dafür entschuldigen, dich Schwachkopf genannt zu haben!
    Unter dem Gekritzel stand ein Name mit Anschrift und Telefonnummer.
    Â»Was ist ein Journal?«, sagte ich.
    Â»Das da«, sagte Oskar und zeigte auf das dicke Heft auf der Fußmatte. »So was wie ein Notizbuch, nur ausführlicher. Fitzke hat es uns letztes Jahr gezeigt. Weißt du nicht mehr?«
    Â»Und was bedeutet testamentarisch verfügt?«
    Â»Ein Testament ist ein Letzter Wille. Man setzt es zusammen mit einem Anwalt auf.«
    Â»Auf was?«
    Â»Papier.«
    Ich überlegte. »Wo soll ich die Steine bloß alle unterbringen?«
    Oskar zog die Nase hoch. »Auf einer Müllkippe. Ich hoffe, du nimmst nicht ernst, was Fitzke da verlangt.«
    Ich las die Adresse auf dem Zettel. Testamentarisch verfügt, letzten Sommer … Mir fiel der Tag ein, als wir Fitzke geschniegelt und gestriegelt im Anzug vorm Edeka getroffen hatten. Das musste der Tag gewesen sein, an dem er bei diesem Anwalt sein Testament auf Papier gesetzt hatte, denn so ein Testament ist bestimmt eine feierliche Angelegenheit. Mein lieber Schwan … Ich wusste noch nicht, ob ich diesen Letzten Willen ernst nehmen sollte oder nicht, aber ich fühlte mich sehr geschmeichelt.
    Â»Und falls du dich gerade geschmeichelt fühlen solltest«, trompetete Oskar, »dann denk dran, dass Fitzke einen an der Waffel hatte! Er hat dich bis zum Schluss für dumm genug gehalten, dass du seine idiotische Steinsammlung für ihn pflegst!«
    Â»Jaja.« Ich hörte gar nicht richtig hin. Ich las erneut den Zettel. »Warum sagt man eigentlich, dass einer ins Gras beißt, wenn er stirbt? Könnte man nicht auch in was anderes beißen?«
    Oskar tappte genervt mit einem Fuß. Das macht er immer, wenn’s ihm mit meiner Tiefbegabung etwas zu viel wird. »Natürlich«, sagte er. »Zum Beispiel in deinen Schülerausweis.«
    Ich guckte ihn ungläubig an. Er guckte zurück unter seiner blöden Bommelmütze, dann grinste er und zeigte seine großen Zähne. Der Bühl hat mal gesagt, Oskar sei das einzige Kind auf der Welt, das Ironie versteht. Seine Erklärung, was Ironie ist, fand ich allerdings schwierig, es gibt sie nämlich in verschiedenen Geschmacksrichtungen.
    IRONIE
: Spöttisch gemeintes Gegenteil von dem, was man eigentlich sagt. Wenn man es nicht spöttisch, sondern richtig böse meint, ist das Sarkasmus. Außerdem gibt es noch Zynismus, das ist jenseits von Gut und Böse. Wenn alle einfach nett zueinander wären, könnte man also drei schwierige Fremdwörter sparen, aber nee …
    Mama, der Bühl und ich eilten den Hang runter in Richtung Bergmannstraße. Als wir den Pfarrer auf seinem Weg zur Kapelle überholten, guckte er mit zusammengekniffenen Lippen auf Mamas hüpfenden Busen und schüttelte missbilligend den Kopf. Auf einem Friedhof rennt man gefälligst nicht so, sagte sein Blick, und wenn hier überhaupt was hüpfen sollte, dann höchstens die Eichhörnchen in den alten Fichten und Tannen. Vorhin, als wir hier angekommen waren, hatte
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