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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Autoren: Andreas Steinhöfel
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fast am Ende des Gangs angekommen, als plötzlich Mama hinter der Ecke auftauchte. Sie humpelte auf zwei blauen Krücken und sie trug einen weißen Bademantel. Falls Oskar ihr gezeigt hatte, in welche Richtung ich abgehauen war, hatte er den Bühl dabei nicht erwähnt, denn sie stockte, als sie ihn sah. Ihr Gesicht war noch voll verschmiert mit Wimperntusche und Lidschatten, bestimmt hatte sie noch nicht in einen Spiegel geschaut. Um ihr nacktes Fußgelenk war eine Bandage gewickelt, über der rötlich die Haut schimmerte.
    Â»Rico.«
    Ich rannte die letzten Meter auf sie zu. Sie lächelte mir und dem Bühl unsicher entgegen. Dann war ich bei ihr und sie zog mich in die Arme und drückte mich fest an sich. Ich spürte, wie sie zitterte.
    Â»Ist der Knöchel gebrochen?«, sagte ich.
    Â»Nur böse verknackst, mach dir keine Sorgen.« Sie streichelte mir die Haare. »Wir müssen reden, Schatz. Aber nicht hier. Lass uns nach Hause gehen, okay?«
    Ich ließ sie los und nickte. Mama schaute zum Bühl. »Und wir müssen auch reden.«
    Der Bühl gab keine Antwort. Ich hatte mir so oft vorgestellt, wie die beiden sich glücklich in die Arme fielen undsich küssten und wie wir anschließend alle drei loszogen, um lecker essen zu gehen und danach einen Jack Russell zu kaufen. Jetzt standen sie sich schweigend gegenüber im kalten Krankenhauslicht, Mama war völlig runter mit den Nerven und ihre Schminke war verlaufen, der Bühl sah aus, als hätte er in der Millionärsshow die Antwort auf die letzte Frage nicht gewusst, und ich hatte keinen Hund.

 
    Â 
    Wir verließen das Urban in Zweiergrüppchen. Der Bühl setzte sich mit Oskar an die Spitze, aber trotz Oskars durchdringender Trompetenstimme verstand ich von ihrer Unterhaltung kein Wort. Was an Frau Dahling lag, die der frisch geschminkten Irina erklärte, was überhaupt geschehen war. Im Auto hatte Irina zwar noch gesagt, dass sie nichts wissen wolle, aber natürlich hatte sie ihre Meinung geändert. Mama ist ihre beste Freundin, und bei besten Freunden macht man nicht die Augen zu, wenn sie Probleme haben.
    Mama und ich bildeten das lahme Schlusslicht, sie mit Krücken und in dem weißen, ihr vom Krankenhaus überlassenen Morgenmantel und ich als zusätzliche Stütze an ihrer Seite. Eigentlich hatte der Bühl sich um sie kümmern wollen, aber ich hatte ihm nur die Plastiktüte überlassen, in der sich das verdreckte Kleid befand. Mama musste sich aufs Humpeln konzentrieren, also hielt ich den Mund. In meinem Hals steckte sowieso schon ein dicker Frosch, der selber auch noch einen Frosch mit einem Frosch im Hals im Hals hatte. Seit Mamas Ankündigung, zu Hause mit mir reden zu wollen, hatte ich wieder dieses komische Gefühl im Bauch.
    Unter dem überdachten Eingangsportal vom Urban blieben wir stehen. Es regnete noch immer. Ein sanfter Wind trug den Flussgeruch vom Landwehrkanal zu uns herauf, auf dessen anderer Seite sich dunkel und verwaschen die Umrisse der Uferweiden gegen den Nachthimmel abzeichneten. Und hinter den Weiden, noch höher, ragten die Kastenschatten der Hochhäuser auf. Aus fünf oder sechs vereinzelten Fenstern fiel Licht. Da waren Leute wach um diese Zeit, die nicht schlafen konnten oderdie womöglich ganz früh zur Arbeit mussten. Oder denen zwischen Nacht und Morgen auch gerade komische Dinge passierten.
    Der Bühl quatschte schon wieder in sein Handy, aber da er sich etwas abseits von uns hielt, konnte ich nicht lauschen. Er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, winkte kurz und lächelte. Oskar stand zwei Meter von ihm entfernt, ein kleiner Fleck im Halbdunkel. Ich ging zu ihm.
    Â»Worüber hast du mit ihm geredet?«, sagte ich leise.
    Â»Ich hab ihm unsere Liste gegeben und eine Wegbeschreibung nach Brandenburg, zu der Scheune. Er organisiert, dass irgendwelche Kollegen sich das mal anschauen.«
    Â»Fährt er nicht selber hin?«
    Â»Nein. Er muss noch irgendwo etwas erledigen, aber nur kurz. Dann kommt er wieder.« Oskar schob die Sonnenbrille mit seinem kleinen Finger ein Stück den Nasenrücken rauf. »Er nimmt mich mit. Er hat gesagt, deine Mutter muss was mit dir besprechen, unter vier Augen.«
    Â»Bist du nicht müde?«
    Â»Schon …« Er zögerte. »Aber ich könnte nachschauen, ob mein Vater inzwischen wieder zu Hause ist.«
    Â»Hätte er dann nicht längst bei uns
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