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Richtig verbunden

Richtig verbunden

Titel: Richtig verbunden
Autoren: Alison Grey
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Anschließend sagte sie: »Ich helfe Menschen.«
    Hä? »Was meinst du damit?«
    »Ich … ich bin Therapeutin. Psychotherapeutin.«
    Aha. Und?
    »Ich arbeite jeden Tag mit meinen Patienten. Ich habe eine eigene Praxis. Ich gehe morgens zur Arbeit und habe Termine bis in die Abendstunden.«
    Seelenklempnerin und Workaholic. Ob das stimmte? Und warum erzählte sie davon? Wollte sie angeben?
    »Ich habe keine Familie und keine Freunde. Niemanden. Nicht mal Arbeitskollegen.«
    Langsam dämmerte es Christina, worauf die Anruferin hinauswollte. »Und warum ist das so?«
    Eine Weile war außer Lindas Atem nichts zu hören.
    »Weiß nicht.«
    Ach, komm schon. Christina schüttelte den Kopf. Eine Therapeutin, die nicht mal sich selbst durchschaute? »Wirklich nicht?«
    »Die Ausrede, dass ich Menschen nicht mag, zählt wohl nicht für mich als Therapeutin, schätze ich.«
    »Nein. Das zählt nicht.« Christina lachte.
    Linda atmete aus. »Ich denke, Menschen erschrecken mich einfach. Es ist so leicht, wenn ich ihnen in meiner Praxis begegne. Ich mag es, ihnen zu helfen, sie zu beraten und ihnen den Weg zu weisen. Aber das ist eine Sache. Menschen außerhalb meiner Arbeit zu begegnen, ist etwas anderes.«
    Das war ja alles schön und gut, aber mit Telefonsex hatte das definitiv nichts zu tun. »Warum hast du mich angerufen?«, fragte Christina.
    Linda lachte humorlos. »Du hast es selbst gesagt: Ich kann mit dir machen, was immer ich will.«
    Christina hielt ihr schnurloses Telefon von sich weg und starrte es an. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Nach einer langen Pause räusperte sie sich. »Was möchtest du jetzt tun, Linda?« Sie ließ ihre Stimme tiefer werden. Ihre Rolle als Chantal gab ihr Sicherheit.
    »Ich möchte mir vorstellen, dass du mich im Arm hältst.«
    »Gut«, sagte Christina. »Genau das tue ich gerade.«
    »Außer Händeschütteln habe ich seit über einem Jahr niemanden mehr berührt.«
    Christina runzelte die Stirn. Diese Frau musste unglaublich einsam sein. »Ich halte dich jetzt ganz fest.« Sie versuchte, so einfühlsam wie möglich zu klingen. Die Arme. Sie sagt die Wahrheit. So was denkt sich doch niemand aus. Warum ging sie nicht zu einer Prostituierten? Die könnte sie wenigstens halten, wenn sie keinen Sex haben wollte. Wenn Linda überhaupt auf Frauen stand. Bisher hatte nichts in dem Gespräch dafür gesprochen. Aber auch nichts dagegen. Ach, wen interessiert‘s?
    »Danke. Wie immer du auch heißt.«
    »Ich heiße Chantal.«
    »Mein Name ist Linda, aber deiner ist sicher nicht Chantal. Ich verstehe, dass du mir deinen richtigen Namen nicht sagen willst, aber bitte lüge nicht.«
    Christina schwieg. Dann hörte sie sich sagen: »Christina.« Was machst du? Sie ist eine Kundin. Sie sprang vom Bett auf, stapfte die zwei Schritte zu ihrem Schreibtisch und ließ sich auf den Bürostuhl fallen. Der Sitz knarrte daraufhin noch lauter als sonst. Das war das erste und definitiv letzte Mal, dass sie während der Arbeit jemandem ihren richtigen Namen verriet. Es war zu persönlich. Jetzt sprach Linda mit ihr, mit Christina, und nicht mit einer virtuellen Sexsklavin.
    »Es freut mich, dich kennenzulernen, Christina.«
    Schweigen. Christina hatte schon zu viel gesagt.
    »Ich hoffe, ich langweile dich nicht zu Tode, denn ich habe vor, noch eine Weile mit dir zu sprechen.«
    Christina grinste. Wen interessierte, was sie redeten, solange es einträglich war. »Aha.«
    »Ich habe niemanden. Aber eine Sache habe ich: Geld. Ob ich drei Cent oder drei Euro pro Minute zahle, ist mir egal. Ich mag deine Stimme. Deine normale Stimme. Und ich mag es, mit dir zu reden. Wenn du also nicht vor Langeweile einschläfst, kann ich das machen, solange ich zahle. Na ja, bis du … bis du Feierabend machst.« Nach einer Pause fragte Linda in einem fast schüchternen Tonfall: »Wie lange arbeitest du heute Nacht?«
    Christina lehnte sich im Stuhl zurück. »Normalerweise bis um vier oder fünf. Je nachdem, wie viel los ist. Aber es gibt keine festen Zeiten. Wir können reden, so lange du willst.« Das würde eine sehr lukrative Nacht werden. Christina lehnte sich zurück, schlüpfte aus ihren Pantoffeln und streckte die Füße auf dem Bett aus.
    »Sag mir einfach, wenn du müde wirst.«
    »Ich bezweifle, dass das passieren wird.«
    »Warum?«
    Verdammt! Erst sagte sie ihren richtigen Namen und jetzt war ihr auch noch diese Bemerkung rausgerutscht. »Nur so.«
    »Ich habe dich gebeten, mich nicht anzulügen.« Linda
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