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Richter

Richter

Titel: Richter
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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fragte ihn ein lockiger, Livree tragender Vierziger mit intelligenten Augen.
    »Nein, ich gehe lieber zu Fuß. Aber ich hätte da zwei Dinge zu erledigen.«
    »Zu Diensten, ’Cillenza.«
    »Ich benötige eine Frau, die saubermacht, die Wohnung in Ordnung hält und außerdem für mich kocht, denn ich esse nicht gern außer Haus.«
    »’Cillenza, das sag ich meiner Frau, der Pippina.«
    »Wenn sie morgen um halb acht kommen könnte ...«
    »Vabbeni.«
    »Außerdem wünsche ich einen Jagdhund zu kaufen. Aber den müsstet Ihr irgendwo halten.«
    »Gleich morgen lass ich Euch ein paar Hunde bringen, so könnt Ihr einen wählen. Und halten kann ich ihn gern.«
    Der Richter dankte und wollte eben gehen, da schlug Attanasio sich vor die Stirn:
    »Ah, ’Cillenza, fast hätt ich’s vergessen. Heut früh hat mir ein Diener von den Bontadinis diesen Brief gegeben, er sagt, er hätte ihn unter der Haustür gefunden.«
    Surra sah ihn verblüfft an. Ja, wie denn? Wussten die schon seine Adresse, bevor er überhaupt da war?
    Der Umschlag war von Hand beschrieben, die Adresse lautete in Großbuchstaben: »S. E. Efisio Surra – Palazzo Bontadini – am Orte«.
    Der Richter war sicher, dass es sich um einen anonymen Brief handelte. Er öffnete den Umschlag. In der Tat.
    Eccellenza, wo sind die Ermittlungsakten in den Sachen Milioto, Savastano, Curreli und Costantino geblieben? Warum fragt Ihr nicht Don Emanuele Lonero danach, genannt Don Nené?
    Ein Freund der Gerechtigkeit.
    Er steckte den Brief in die Tasche und begab sich zum Präfekten.
    Welcher ihm nichts Gutes zu sagen hatte.
    Einzig der Erste Gerichtsdiener, drei einfache Gerichtsdiener, zwei Amtsgehilfen, vier Gerichtsbeamte, zwei Kammerpräsidenten und vier Richter waren bereit, für die neue Regierung zu arbeiten.
    Theoretisch hätte man das Gericht unter diesen Bedingungen reaktivieren können, praktisch war es recht zweifelhaft, dass es gelänge. Jedenfalls könne der Präfekt dem Gericht auf Dauer nur einen Maresciallo und vier Carabinieri zuordnen. Mehr vermöge er nicht.
    Richter Surra ließ sich die Adresse des alten Gerichtspräsidenten Fallarino geben und wies dann Maresciallo Solano, der ihm unterdessen salutiert hatte, an, all jene, die mit ihm zu arbeiten bereit waren, für den nächsten Morgen um neun Uhr ins Gericht zu bestellen.
    Da ihm noch etwas Zeit blieb – der Präfekt hatte ihn zum Abendessen eingeladen –, schrieb er dem früheren Präsidenten Saverio Fallarino einen Brief, in dem er ihn um eine Unterredung bat, und schickte einen Carabiniere damit los.
    Die Antwort kam postwendend mit demselben Uniformierten. Presidente Fallarino erwartete ihn anderntags um fünf Uhr nachmittags bei sich zu Hause.
    Als der Richter später die Präfektur verließ, war es gerade erst kurz nach neun.
    Der Abend war so mild, dass ihn die Lust ankam, ein paar Schritte auf dem Corso zu flanieren. Er hätte nicht erwartet, derart viele Passanten dort anzutreffen; sie führten ein fortwährendes Ballett von hutlüftenden Begrüßungen, Verbeugungen und Komplimenten auf.
    Was allerdings sein Interesse noch mehr anzog, war die Vitrine eines großen Cafés, in der allerlei buntes Gebäck auslag. Der Richter hatte ein einziges Laster, gar kein besonders geheimes: Er aß ums Leben gern Süßes – ein Grund häufigen Zwistes mit seiner Gattin, die sich um seine Gesundheit sorgte. Er erblickte einen Stapel merkwürdig geformten Backwerks, braune, wohl zwanzig Zentimeter lange Röhrchen aus knusprigem Teig, gefüllt mit einer weißen Creme und in kleingehackten kandierten Früchten gerollt.
    Da konnte er nicht widerstehen, er ging hinein. Alle Tische waren besetzt. Als die Gäste ihn erblickten, verstummten sie kurz, dann sprachen sie weiter.
    »Wie heißen diese Teilchen?«, fragte er den Kellner hinter dem Tresen.
    »Cannoli, ’Cillenza.«
    Sollte man ihn erkannt haben?
    »Gebt mir eines.«
    Er aß es im Stehen, am Tresen. Madonna, was für eine Köstlichkeit!
    »Gebt mir noch eines.«
    Er ging zur Kasse, um zu zahlen, aber der Kassier sagte: »Schon bezahlt.«
    »Bezahlt?! Von wem denn?«, fragte der Richter.
    »Don Nené Lonero.«
    Der Richter wandte sich dem Saal zu. Von einem Tisch, an dem vier Männer saßen, zwei mit der typischen sizilianischen Mütze, zwei mit Hut, erhob sich ein Schnurrbärtiger in den Fünfzigern, gedrungen, von roter Haut und Haaren, zog den Hut und sprach: »Nehmt es an als Willkommensgruß.«
    Der Richter, ohne zu antworten, drehte sich wieder
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