Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richter

Richter

Titel: Richter
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
Vom Netzwerk:
Männer bewegten sich zwischen den Ständen. An einem wurden grellbunte Süßigkeiten verkauft. Kurz zögerte Richter Surra, dann setzte er seinen Weg fort.
    Die Straße führte leicht bergab, und dort, wo sie einen Knick vollführte, endeten die Stände. Stattdessen plauderten hier drei Männer miteinander, fünf weitere ein wenig entfernt schienen müßig zu sein, als warteten sie auf etwas oder jemanden. Einer der drei verbeugte sich und zog den Hut.
    »Einen guten Tag wünsch ich, Herr Richter!«
    Wer das wohl war? Na, gleichviel. Surra erwiderte den Gruß und lüpfte den Hut.
    Noch hatte er die Hand nicht sinken lassen, da flog ihm der Hut schwungvoll vom Kopf, wie durch einen jähen Windstoß.
    Zugleich hatte er von schräg über sich einen trockenen Knall gehört.
    War da etwas von einem Balkon gefallen?
    Mit einem Satz sprang er dem Hut hinterher und setzte ihn wieder auf.
    Jetzt war kein Mensch mehr auf der Straße.
    Alle wie im Handumdrehen von der Bildfläche verschwunden. Weiß Gott warum. Also wirklich, wie seltsam!
    Auf der Schwelle des Gerichtspalastes erwartete ihn der Erste Gerichtsdiener Nicolosi, der ihm die drei Gerichtsdiener und die beiden Amtsgehilfen vorstellte. Und dann klatschten die sechs ihm in einer Reihe stehend Beifall. Voller Überraschung wusste Richter Surra nichts Besseres, als ein Dankeschön zu stottern.
    »Euer Hut, Eccellenza«, sagte Nicolosi ehrerbietig.
    Der Richter, nun ganz und gar verblüfft, nahm ihn abund gab ihn dem Mann. Was für merkwürdige Gebräuche man hierorts doch hatte! Was für kuriose Rituale!
    »Wir werden ihn in einer Vitrine aufbewahren wie eine Reliquie«, fuhr Nicolosi fort.
    Waren sie etwa verrückt? Oder handelte es sich womöglich um einen schlechten Scherz? War es Teil der Begrüßungszeremonie?
    »Ich brauche ihn aber noch!«, protestierte er.
    »Einen neuen, ja. Denn der hier ... Seht Ihr nicht, Eccellenza?«
    Und Nicolosi hielt ihm den Hut hin. Erst jetzt bemerkte der Richter, dass hinten ein Stück von der Krempe fehlte. Offensichtlich war der Hut an etwas Scharfes geraten, als er ihm vom Kopf geflogen war. Schade, er hatte ihn erst seit drei Monaten.
    »Sind die anderen da?«
    »Alle, Eccellenza. Sie erwarten Euch im Versammlungssaal.«
    »Die Carabinieri?«
    »Auch sie sind da. Sie richten sich drei Räume im Hinterhaus als Behelfskaserne her.«
    »Gut. Bitte begleitet mich.«
    Die Besprechung dauerte nur knapp eine Stunde. Vor allem war es eine Gelegenheit, sich miteinander bekannt zu machen. Gegen Ende traten noch zwei Männer ein, die von allen Anwesenden begeistert begrüßt wurden. Der Kammerpräsident Paoloantonio stellte sie Richter Surra vor. Es waren zwei Richter, Moresco und Colla, die zu kooperieren beschlossen hatten.
    »Nach dem, was passiert ist, konnten wir nicht fortbleiben«, sagte Colla, als er ihm die Hand gab.
    Warum, was soll passiert sein?, fragte sich Surra, zog es aber vor, nichts zu sagen.
    Die Versammlung löste sich auf, aber es herrschte ein spürbarer Drang, die unterbrochene Arbeit wiederaufzunehmen. Man verabredete sich für den Folgetag um dieselbe Zeit.
    Richter Surra hatte Nicolosi um eine Aufstellung all dessen gebeten, was für das Funktionieren des Gerichtes nötig war, und noch selbigen Tages wollte er in der Präfektur etwas vom Gerichtsetat abheben.
    Nicolosi gab ihm die Liste, und der Richter bat ihn, ihm die Räumlichkeiten des Gerichtes zu zeigen.
    Es herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Aus den offen stehenden Schränken quollen Aktendeckel und Ordner, aus denen wiederum lose Blätter und ganze Akten auf den Fußboden gefallen waren ... Fliegende Dokumente überall, auf den Fluren, den Fensterbrettern, ja sogar auf den stillen Örtchen ... Das reinste Schlachtfeld.
    Selbst optimistisch gerechnet würde es mindestens eine Woche dauern, bis man hier Ergebnisse sah.
    »Lasst Euch nicht nur von den Gerichtsdienern helfen, sondern auch von den Amtsgehilfen und den Carabinieri. Und zieht weitere Männer als Träger hinzu, falls nötig. Außerdem nehmt sofort Frauen für die Reinigung in Dienst.«
    Er konnte gerade noch einen neuen Hut kaufen, bevor er nach Hause ging, zum Mittagessen.Das einfach, aber wohlschmeckend war. Diese Pippina wusste, was sie tat, auch die Wohnung hatte sie gründlich geputzt. Surra legte sich kurz hin, dann schrieb er eine Art Protokoll der morgendlichen Besprechung, machte sich bereit und begab sich in den Stall.
    »Attanasio, wisst Ihr, wo Richter Fallarino
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher