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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette
Autoren: Sia Wolf
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Kaffee und die Sahne auch fertig.“
    Alexandra genoss das warme Wasser, das einfach aus der Brause rauschte. Taufgespräch. Darauf war sie nicht vorbereitet. Kirche. Eigentlich hatte sie mit dem Verein überhaupt nichts am Hut. Das letzte Mal, dass sie sich bewusst an einen Kirchgang mit Gottesdienst erinnerte, war ihre Konfirmation. Damals wollte sie auch nie wieder eine Kirche betreten. Gut, für alte Kirchen an sich konnte sie sich im Urlaub mittlerweile tatsächlich erwärmen. Sofern sie in schönen Landschaften standen und sie nicht verpflichtet war, an dem Geschehen in den Kirchen teilzunehmen.
    Gottesdienste waren für sie der Gipfel der öden Langweiligkeit. Man saß unbequem, der Gesang war schrecklich und immer war ihre Blase voll. Egal wie knapp sie vor dem Kirchgang noch einmal die Toilette aufsuchte, sobald sie in der Kirchenbank saß, gab ihre Blase Signal.
    Alexandra stieg aus der Dusche, trocknete sich rasch ab und ging zur Toilette. Sie grinste. Scheinbar reicht jetzt schon der Gedanke an einen Gottesdienst, um ihre Blase zu füllen.
    Sie sollte und wollte Patentante von Charlotte werden, das war schon vor der Geburt klar. Dass die Taufe nicht schon längst stattgefunden hatte, lag daran, dass Caro den Pfarrer nicht mochte, der bis Ende letzten Jahres die Pfarrstelle innehatte. „Bigottes Arschloch“ war noch eine der harmloseren Bezeichnungen, die Caro für ihn hatte. Als Betrugsvorwürfe gegen den Pfarrer laut wurden und er durch verbale Entgleisungen auffiel, berief die Landeskirche den Pfarrer ab und versetzte ihn in den Ruhestand. Ein neuer, junger Pfarrer trat nach kurzer Vakanz die Pfarrstelle an und war innerhalb weniger Wochen so beliebt in seinem Sprengel, dass die kirchlichen Veranstaltungen einen enormen Zulauf erhielten.
    Als Alexandra mit noch feuchten Haaren an der bereits gut besetzten Kaffeetafel auftauchte, stand ein dunkelhaariger, ausgesprochen hübscher Mann auf.
    „Guten Tag, ich bin der Pfarrer, Harald Thessmann!“
    Alexandra schaute in große braune Augen, die sie freundlich lächelnd anblickten und reichte ihm die Hand.
    „Guten Tag, ich bin Alexandra Rabe, die Taufpatin.“
    Seine warme Hand hatte einen festen Druck, wie sie angenehm berührt feststellte. Neben dem Pfarrer saß Natascha, die älteste Tochter von Caro und Arno. Sie war im letzten Kindergartenjahr und sollte nach den Sommerferien eingeschult werden. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter. Zierlich, blond und langhaarig. Sie sah aus wie eine kleine Prinzessin, verhielt sich aber eher wie ein Bauernlümmel und spielte am liebsten mit Jungen. Älteren Jungen. Kein Baum war ihr zu hoch, kein Sprung über den Bach zu weit. Natascha fuhr Fahrrad wie eine Wilde und war für jeden Unsinn zu haben, solange er nur Mut erforderte. Caroline und Arno waren in den ersten drei Jahren ständige Besucher in der Kindernotaufnahme der Klinik gewesen, weil Natascha immer verletzt war. Natz, wie sie gerufen wurde, trug nur Hosen. Röcke und Kleider waren für sie unerträglich, aber sie liebte die ganz typischen Mädchenfarben rosa, lila und rot. Sie hasste den Gedanken, dass sie ab Sommer in die Schule gehen sollte. Sie konnte schon lesen und schreiben und versuchte immer, ihre Eltern zu überzeugen, dass sie schon genug gelernt hat. Neben ihr saß ihre 4-jährige Schwester Josefine, Josie. Sie war nicht so zart, blond und prinzessinnenhaft wie Natz, sondern eher robust. Ihre straßenköterblonden Zottelhaare hatte sie immer zu einem Zopf gebunden und träumte von Locken, Locken wie Alexandra sie hatte. Trotz ihrer Unterschiede sahen sich die Schwestern sehr ähnlich und man konnte die familiären Bezüge zu Caro und Arno nicht übersehen. Josefine konnte stundenlang mit sich allein spielen, hatte eine blühende Phantasie und beneidete ihre Schwester, die bald in die Schule gehen durfte. Sie erzählte ihren Puppen lange Geschichten und selbst ihre wilde Schwester Natz hörte ihr gern dabei zu und kam zur Ruhe, wenn Josie zu erzählen begann. Die Lieblingsgeschichte der Schwestern war die vom ‚Muskelkater’, einem gefährlichen Kater, der in einer Buchsbaumhecke wohnte, immer schlechte Laune hatte und viele Abenteuer erlebte. Josie beherrschte die Kunst, sich trotz Anwesenheit ‚unsichtbar’ zu machen und nutzte das aus, besonders, wenn es um Tätigkeiten wie aufräumen ging. Charlotte, die jüngste der Töchter, war zweieinhalb Jahre und das von der ganzen Familie verwöhnte Nesthäkchen. Sie wickelte alle um den Finger,
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