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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette
Autoren: Sia Wolf
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insbesondere ihren Vater, der sie hemmungslos verwöhnte.
    Alexandra setzte sich neben Charlotte und leckte sich beim Anblick der Torten die Lippen. Sie nahm sich ein Stück Mangotorte, während sie dem Gespräch des Pfarrers mit Caro zuhörte, die gemeinsam den Ablauf des Gottesdienstes besprachen.
    „Letzie“, flüsterte Charlotte mit kuchenverschmiertem Mund, „darf ich bei dir auf den Schoß?“
    Alexandra nickte einladend, rutschte lächelnd ihren Stuhl zur Seite und Charlotte kletterte auf ihren Schoß. In der Hand hatte sie ihren Schmuselöwen, ein völlig abgeliebtes Stofftier, das weder von der Farbe noch von der Kontur als Stofftier-Löwe erkennbar war.
    „Ihre Oma hat mir erzählt, dass Sie sehr gut singen können?“ Pfarrer Thessmann wandte sich Alexandra zu. Überrascht konnte Alexandra nur zustimmend nicken, ihr Mund war voll Kuchen.
    „Ja. Sympathy for the D evil“, murmelte Caro lakonisch.
    Alexandra verschluckte sich und begann vehement zu husten. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    „Letzie, bist du taudig?“ Charlotte kuschelte sich mit ihrem Tierchen an Alexandra.
    „Nein, Schatz. Alex ist nicht traurig. Sie hat nur zu viel Kuchen im Mund.“ Caro grinste ihre Cousine an, die von heftigem Husten geschüttelt, das Gleichgewicht auf dem Stuhl verlor und mit Charlotte, dem Schmuselöwen und einer Tasse Kaffee in der Hand umkippte.
    „Ach herrje, ich hole einen Lappen.“ Caro sprang eilig zur Küchentür und kam mit einem Handtuch und einem Spüllappen in der Hand zurück.
    „Na ja, der Ansatz mit dem Teufel ist im Grundsatz nicht schlecht“, Thessmann lächelte und half Alexandra vom Boden auf, „es wäre bestimmt interessant, in einem philosophisch geprägten Gottesdienst über den Teufel und seine Anziehungskraft zu sprechen. Aber zu einer Taufe passt es einfach nicht.“
    Alexandra schaute sich diesen Pfarrer noch einmal genauer an. Lachfältchen durchzogen sein Gesicht. Wenigstens schien er nicht verknöchert in seinem Glauben zu sein. Schmal war er, ein eher dunkler Typ und nicht besonders groß gewachsen, aber mit einem sehr netten Lächeln. Einzig seine Nase ragte ein bisschen aus der sonstigen Harmonie des Gesichtes heraus, was seiner Attraktivität aber insgesamt keinen Abbruch tat.
    „Ich nehme an, Sie sind in der Kirche?“, fragte Thessmann.
    „Ja, ich bin evangelisch und auch noch Mitglied der Kirche. Aber ich bin keine Kirchgängerin. Oder besser gesagt: keine Gottesdienstbesucherin.“
    „Das kann sich ja ändern!“ Thessmann setzte sich auf seinen Platz zurück. „Das Wichtigste für Sie als Taufpatin ist, dass Sie die Eltern unterstützen bei der Erziehung des Kindes im Hinblick auf seine religiöse Entwicklung.“
    „Das habe ich verstanden. Aber muss ich dann regelmäßig in die Kirche gehen, damit ich meinem Patenamt Genüge tue?“ Alexandra guckte ihn kritisch an.
    „Nun ja. Ich lasse sonntags immer eine Anwesenheitsliste rumgehen, damit ich den Überblick nicht verliere.“ Thessmann guckte sie ernst an. „Also mehr als zweimal hintereinander sollten Sie nicht fehlen!“
    Alexandra schüttelte entsetzt ihre angetrockneten Locken. „Wenn ich Patin von Charlotte werden will, soll ich zukünftig mindestens jeden zweiten Sonntag in die Kirche gehen? Das schaffe ich nie im Leben!“
    Thessmann lachte schallend. Sein hübsches Gesicht wurde noch eine Spur anziehender.
    „Mich hat er auch so reingelegt. Darauf trinken wir einen!“ Caro stellte drei Schnapsgläser auf den Tisch und goss einen Vogelbeerschnaps in die kleinen Gläschen.
    „Selbst gepflückt und gebrannt bei einem Brenner unseres Vertrauens“, sie hob das Glas und prostete dem Pfarrer und ihrer Cousine zu.
    „Auf eine schöne Taufe.“
    „Prost“, Thessmann grinste frech, „auf meine neuen Schäfchen.“
    „Prost.“ Alexandra hatte sich wieder erholt und schmetterte fröhlich eine Zeile aus ‚Sympathy for the Devil’.
     
    Als der Pfarrer sie nach dem Schnaps verließ und sie mit Caro allein war, verschwand Alexandras Fröhlichkeit. Noch immer stand die Hitze in der Luft und machte das Atmen schwer. Die Mädchen spielten mit ihren Puppen im Sandkasten.
    „Idylle“, dachte Alexandra schläfrig und sah den Kindern beim Spielen zu. So sieht ein idyllischer Familiennachmittag aus. Jäh wurde diese Idylle durch einen wütenden Schreianfall von Charlotte unterbrochen, die von ihren Schwestern geärgert wurde.
    „Diese Zicken. Es gibt Tage, da wünschte ich, ich hätte die drei Euro für die
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