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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold
Autoren: Andrea Schacht
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einmal haben wir hier das Öl der wilden Orangenblüte, für die bittere Süße der Sehnsucht.«
    Rufina zerrieb ein feines Tröpfchen davon zwischen ihren Fingen, und ihre Augen wurden weich.
    »Ja, die bittere Süße der Sehnsucht. Wie gut ich die kenne.«
    Erla nickte.
    »Kennen nicht alle, die lieben, diesen Duft?«
    Sie goss ein wohl abgemessenes Quantum in die Glasflasche und mischte den Inhalt sorgfältig.
    »Noch tiefer darunter, Patrona, wollen wir das heimliche Versprechen erfüllter Sehnsucht und die schwelende Glut der Leidenschaft mischen. Ist das recht?«
    »Ja, Erla. Tu auch das hinzu. Was nimmst du?«
    »Den Extrakt der Zimtrinde, warm und verführerisch.«
    Weitere Tröpfchen wurden in die Flasche gefüllt.
    »Und nun, noch viel, viel tiefer die Essenz der Angelika, mit ihrer schweren, weiblichen Süße und einem Hauch von Schärfe. Sie, wie keine andere, spendet den Trost des Heimkommens.«
    »Du bist eine Künstlerin, Erla.«
    Die Germanin lächelte.
    »Manche nennen mich eine Hexe oder Zauberin. Künstlerin ist mir lieber. Und Patrona, nun verrate mir, welchen Duft ich dem Salböl deines Geliebten beimischen soll.«
    Rufina sah sie erstaunt an.
    »Ich werde schwerlich die Möglichkeit haben, es ihm zu schicken.«
    »Du wirst schon eine Möglichkeit finden, es ihm selbst in die Haut zu massieren.«
    Die Vorstellung, Maurus’ dunkle Haut mit duftender Salbe einzureiben, machte Rufina einen kurzen Moment schwindelig vor Verlangen.
    »Also, Patrona, welche Vorstellung verbindet deine Nase mit ihm?«
    Mit geschlossenen Augen, aber ohne zu zögern, murmelte sie: »Wie warmer Honigkuchen, doch nicht nur süß, sondern wie Nuss und Holz, wie der dunkle Wald, herb und würzig, manchmal von verdeckter Strenge, und dann wieder unerwartet sanft wie Balsam und zu Tränen rührend.«
    »Was für ein Liebesgedicht, Patrona! Ich will es dir zusammenmischen. Ein Duft für einen Mann wie von warmer Myrrhe und harzigem Olibanum, mit der Schärfe von Zedernblättern und der balsamischen Süße von Nelke und Eichenmoos.«
    Ein Tiegelchen mit geschmeidiger, weißer Salbe wanderte zu dem Fläschchen in Rufinas Tasche.
    Als die Dämmerung hereinbrach, spät an diesem sonnigen Tag, saß Rufina umhüllt von weicher Seide auf ihrem Ruhelager und las beim Licht der mehrflammigen Wandleuchte in einer Schriftrolle, um sich die Zeit zu vertreiben. Sie hatte keinen Schmuck angelegt, doch die Haare mit golddurchwirkten Bändern hochgebunden. Sparsam hatte sie sich geschminkt und mit dem duftenden Öl eingerieben. Auf dem runden Tischchen hatte sie Schreibutensilien bereitgelegt und ein Schüsselchen getrockneter Aprikosen. Sie hatte auch sehr sorgsam die Menge Öl in den Lampen dosiert und eine zusätzliche Kerze angezündet.
    Auf der Straße hörte man noch Stimmen der Flaneure, die den lauen Abend nutzten, doch im Haus war es still geworden. Die Kinder schliefen, die Dienstboten hatten sich zurückgezogen, nur der kleine Kater Tigris war noch auf der Pirsch. Er streckte seine vorwitzige Nase durch die angelehnte Tür, schlängelte sich ins Zimmer und sprang mit einem Schnurren auf die Polster der Liege. Rufina streichelte das kleine Tier, und wohlig rollte Tigris sich zu einem Kringel zusammen, um in seine wilden Katzenträume zu versinken.
    Die Haustür knarrte leise, und Rufina rollte ihren Lesestoff zusammen.
    Maurus betrat lautlos ihren Raum. Er hatte die Toga wieder einigermaßen ordentlich angelegt und sah ernst drein.
    »Danke, dass du gekommen bist, Maurus!«, begrüßte ihn Rufina ohne ein Lächeln. Sie wies auf den Sessel am Tisch hin.
    »Natürlich, Rufina. Ich verstehe doch, du willst alles vernünftig geregelt haben.«
    Sie erhob sich von dem Lager und ging zu ihm. Beiläufig zupfte sie eine verrutschte Falte auf seiner Schulter zurecht und setzte sich dann in den zweiten Sessel.
    »Gut, fangen wir mit dem Finanziellen an. Meine Eltern haben dir damals meine Mitgift ausgezahlt. Da du es bist, der mich zu verlassen wünscht, wirst du sie mir in voller Höhe zurückerstatten.«
    »Natürlich.«
    »Sehr gut. Ich habe den Wunsch, die Therme weiter zu führen, damit mein Lebensunterhalt gesichert ist. Noch läuft der Pachtvertrag auf deinen Namen. Du wirst ihn gleich morgen auf mich umschreiben lassen.«
    »Willst du wirklich die Therme weiterführen. Ich dachte...«
    »Ich will meine Zukunft so gut wie möglich absichern, Maurus. Ich habe zwei Kinder, für die ich zu sorgen habe. Außerdem macht mir die Arbeit Spaß.
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