Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revelations

Revelations

Titel: Revelations
Autoren: Carsten Fischer
Vom Netzwerk:
einen von allen Seiten angreifbaren Flüchtlingskonvoi beschützen. Mit einem nachdenklichen Seufzen holte Paul unterdessen seine antike Lesebrille hervor, stützte sich auf die Motorhaube des Humvees und studierte die darauf ausgebreiteten Landkarten.
    »Ich hab mir ein paar Gedanken über mögliche Rückzugsgebiete gemacht«, begann der Alte etwas abgelenkt zu philosophieren. »Die Sicarii kennen inzwischen sicher alle unsere Enklaven und die dazugehörigen Sammelpunkte. Ständig in Bewegung zu bleiben können wir uns nicht leisten, also müssen wir einen Ort finden, der nicht mal Monroe und seinen Rangern bekannt war.«
    Nun hatte er Angels und Coles ungeteilte Aufmerksamkeit, die mit hochgezogenen Augenbrauen und verschränkten Armen auf weitere Erklärungen warteten. Das wiederum ließ Paul rot anlaufen und ein etwas schüchternes Lächeln aufsetzen. Mit seiner perfekt inszenierten Illusion von Unsicherheit markierte er ein unscheinbares Gebiet im nördlichen Hadesgebirge.
    »Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, liegt dort ein verlassenes Kloster«, murmelte er dabei. »Mein Vater, Gott habe ihn selig, hat da oben als Touristenführer gearbeitet. Das ist natürlich ein paar Jahrzehnte her und es gibt keine Garantie, dass sich in dem alten Gemäuer nicht schon irgendwelches Gesindel eingenistet hat. Aber ich hielt es für vernünftig, euch darüber zu informieren.«
    Mit diesen Worten nahm er seine Lesebrille ab und verstaute sie sorgfältig in einem braunen Lederetui. Anschließend griff er nach seinem handverzierten Krückstock und spazierte unschuldig summend davon. Angel und Cole sahen sich einander sprachlos an, bis sie gemeinsam erleichtert loslachten. Der alte Mann hatte ihnen gerade einmal wieder das Leben gerettet und es dabei aussehen lassen, als wäre ihm die Idee einfach so während des Nachmittagstees gekommen.
    Nun war die Frage beantwortet, wohin sie den Konvoi führen würden. Der Weg in die Berge stellte sie jedoch vor völlig neue Herausforderungen, denn er war lang und führte auf den vorzeitlichen Hauptverkehrsstraßen mitten durch feindlich gewordenes Territorium. Cole begann zu verstehen, dass sie um eine schlagkräftige Eskorte nicht herumkämen. Er suchte bereits nach Ausreden, um sich davor zu drücken, als Angel ihm unverhofft zuvorkam.
    »Was hältst du von etwas Sabotage, um unseren Abzug zu sichern?«, fragte sie herausfordernd. »Auf der Brücke vor Silver Valley könnte man eine hübsche Blockade errichten.«
    Natürlich war ihr seine Vorliebe für Kommandooperationen bekannt, doch das war nicht der Hauptgrund für ihr großzügiges Angebot. General Monroe hatte den Sicarii durch die Sprengung der Treibstofftanks von Silver Valley einen schweren Schlag versetzt, aber die Invasoren aus dem Norden hatten schon früher ihre enorme Improvisationsgabe demonstriert. Es war daher äußerst unwahrscheinlich, dass sie den Flüchtlingskonvoi kampflos entkommen lassen würden. Coles stahlblaue Augen funkelten in Vorfreude auf den vor ihm liegenden Alleingang. Endlich durfte er wieder agieren, ohne Verantwortung für Untergebene tragen zu müssen und konnte dabei gleichzeitig Rache für den Überfall auf seine Siedlung nehmen! Auch Angel waren solche Gefühle nicht fremd, aber den Luxus der Vergeltung musste sie der langfristigen Planung unterordnen, wenn sie den Krieg je gewinnen wollte.
    »Was ist eigentlich aus unserer Schwertkämpferin geworden, die sich mit mir in Eagle Village duelliert hat?«, fragte sie, um Cole wieder in die Realität zurückzuholen.
    »Die ... ist uns entwischt«, antwortete er ausweichend. »Ein paar von meinen Leuten wollten sich scheinbar für den Angriff rächen und eines Morgens fand ich sie mit aufgeschlitzten Kehlen vor dem geöffneten Käfig.«
    Augenrollend seufzte Angel bei dem offensichtlichen Mangel an Disziplin in seiner Miliz. Allerdings hatte sie insgeheim damit gerechnet, dass Jade einen Fluchtweg finden würde. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ihre Pfade ein weiteres Mal kreuzten.
    »Du hast deinen Auftrag. Präg dir die Karte ein und triff uns dort in spätestens einer Woche«, entschied sie mürrisch, um das Gespräch zu beenden. »Ich muss noch etwas erledigen.«
    »Und was?«, fragte Cole neugierig, aber Angel ignorierte ihn und schlenderte auf die verbrannten Mehrfamilienhäuser zu, in denen die meisten Bewohner von Jaguar Bay gewohnt hatten. Cole hasste es, wenn sie ihn im Regen stehen ließ, und reagierte sich an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher